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Klapper- und Rassellärm Berlins beschaffen sein mag, auch hier
thut Ruhe Noth, Ein Freund sagte mir einst über Venedig: »Der
Zauber dieser Stadt ruht in Vielem, aber was das Gemüth am
tiefsten ergreift und im ersten Moment am räthselhaftesten berührt,
das ist die Mischung von unbeweglichstem Leben und allerländ-
lichster Stille. Das Leben bewegt sich wie auf Sammetschuhen;
die Luft zittert nicht, sie schwebt, sie ruht und ihre Ruhe theilt sich
dem Glücklichsten mit, der darin lebt.« Die »Tunnelstraßen« werden
vielleicht dereinst in großen Städten etwas Aehnliches schaffen und
den Eisenstangenwagen jener unterirdischen Tiefe überlassen, in die
er gehört!
8. Ein Besuch im H y d e- Park.*
Die Berliner begeben sich aus den Straßen und durch die
Thore hinaus, hinaus, um in's Freie zu kommen und Luft zu
schöpfen; in London machen es die Leute umgekehrt und gehen,
fahren und reiten stadteinwärts in freie, frifche Luft, auf lachende
Rasenteppiche, unter tausendjährige, jugendfrische Baumgruppen an
großen, lachenden, fließenden Zierteichen und deren Inseln und
Wasserpflanzenranken entlang.
London — längst keine Stadt mehr, sondern die höhere Einheit
und Verschmelzung der Vorzüge von Stadt und Land, nachdem es
auf den zwanzig deutschen Geviertmeilen, die es einnimmt, eine
große Zahl von Dörfern und Städtchen verschlungen und schöner
wiedergeboren hat — schwelgt jetzt alle Tage innerhalb seiner 3500
Straßen »im Freien«, auf dem Lande, und zwar viel schöner und
gesunder, als unsere Dorfbewohner. Man hat den Schmutz der
einverleibten Dörfer weggeräumt und nur deren ländliche Schönheit
geläutert. Dies ist einer von den vielen Vorzügen, durch welche
sich London und andere englische Hauptstädte von deutschen aus-
zeichnen. Und damit die Leser sehen, wie weit und breit und
sonnig und lustig sich hier die Bewohner aller Stände täglich hundert-
tausendweise mitten in London in den mannichsachen Parkoasen an
gesunder Lebensluft laben, so besuchen wir den Hyde-Park.
Viele haben von dieser Oase gehört, ohne daran zu denken, daß
sie der größte Juwel des ländlichen Schmuckes sür London ist. —
Hyde-Park lag einst weit außerhalb der Hauptstadt, ist aber jetzt
von prachtvollen Straßen umgeben, die bereits mit den alten Stadt-
theilen in Verbindung stehen. Alle öffentliche Plätze Londons sind
in herrliche mit großen Bäumen verzierte Gärten umgeschaffen.
Niemand darf ohne besondere Erlaubniß einen Baum umhauen.
Noch heute steht mitten im Glaspalaste (Industrie-Ausstellungs-
* Nach H. Beta.