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Europa getrennt, vom Meere umgeben, haben einen gemäßigten
Winter, so daß in den niedrigen Strichen, selbst im Winter, das
Vieh im Freien ausdauern und weiden kann. Schnee fällt wenig
und immer nur auf kurze Zeit.
Die Dauer des Winters ist in Europa um so länger, je mehr
die Länder nach Nordosten liegen, und um so kürzer, je südlicher
sie gelegen sind. Im äußersten Norden beginnt der vollkommene
Winter schon mit dem Anfange des Oktobers, zu Umeo und Pe-
tersburg im Ende des Oktobers, und dauert dort bis zu Ende,
hier bis in die Mitte des Aprils. In nordöstlichen Rußland liegt
der Schnee bis in die Mitte des Maimonats. In Stockholm
fängt der Winter erst in der Mitte des Novembers an, und währt
bis zu Ende des Märzes.
Das plötzliche Umwandeln der Natur im Frühlinge kennen
Europa's südliche Länder nicht, indem ihnen grüne Bäume und
Fluren nicht fehlten, und sie die lange Winterruhe der schlummernden
Natur nicht vor Augen hatten. Je weiter nach Norden, um so
plötzlicher tritt der Frühling ein, und in den nördlichsten Gegenden
so schnell, daß man in einigen Tagen die beschneiten Gegenden wie
durch einen Zauberschlag mit frischem Grün und Feldblumen be-
deckt, das große Heer der Insekten sich entwickeln uud mehren, und
die ausgewanderten Vögel schaarenweise wiederkehren sieht. Aber
zwischen Blüthe- und Erntezeit ist nur ein kurzer Zwischenraum.
In den langen Sommertagen, welche durch ihre Dauer drückend
werden und den Pflanzenwuchs beschleunigen, wird die Luft so er-
wärmt, daß sie in den kurzen Nächten, wo es nie ganz dunkel wird,
weit nicht so abgekühlt wird, als im südlichen Europa, und es in
Italien vor Aufgang der Sonne einem kälter vorkommt, als im
mittleren Rußland, ja daß man hier behaglicher die Nacht im Freien
zubringen kann, als dort. Im östlichen Theile des mittleren Ruß-
lands, wo das trockene Sibirien nahe und das Meer ferne ist, wird
die trockene Hitze im Sommer so groß, als im südlichsten Europa,
und daselbst, so gut als in Süd-Europa, um die Mittagszeit die
Arbeit eingestellt und geruht.
Umgekehrt, wie der Frühling im Norden später, als südwärts
eintritt, kommt der Herbst dort früher und schneller, und währt
kürzere Zeit. Der sogenannte Nachsommer im mittleren Europa
erinnert noch an die verflossene warme Jahreszeit. Mit dem Reifen
der Früchte und dem Gelbwerden des Laubes nimmt die Zahl der
Insekten ab, und die Zugvögel, welche von ihnen sich nährten,
wandern dem Süden zu. Das Laub fällt ab, kalte Stürme be-
wegen der blattlosen Bäume leere Zweige, bis Schnee und Eis das
Dasein des Winters anzeigen.