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2. Deutschlands Ei genthümlichkeit.^ 
Ans Baterland, ans theure, schließ' dich an! 
Das halte fest mit deinem ganzen Herzen! 
Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft! 
Dort in der fremden Welt stehst dn allein, 
Ein schwankend Rohr, das jeder Sturm zerknickt. 
Schiller. 
An die Eingangsschwelle unseres Vaterhauses, das mit seiner 
breiten Vorderseite nach Norden schauet, schlagen die salzigen Wellen 
zweier Meere, der Ost- und Nordsee. Sie sind die weitgeöffneten 
Thore zu einem geräumigen Vorsaale, der großen norddeutschen 
Ebene, und werden durch die flache Halbinsel Jütland, welche ein 
Ausläufer dieser Ebene ist, von einander getrennt. An der nörd- 
lichen Spitze jener Halbinsel ist die schmale Eingangspforte aus 
den Nordseefluthen des atlantischen Meeres in die gefahrvolle 
Ostsee. In einer Länge von 180 Meilen streckt sich diese von 
Süden nach Norden in Gegenden hinein, wo der Roggen und 
Hafer nicht mehr gedeihet, der Obstbaum verschwindet und die 
Birke verkrüppelt; aber hinter sich hat sie die reichen Obst- und 
Kornkammern unseres Baterlandes, und lockend sind ihre Buchten 
an der ganzen Küste ausgebreitet, um alle Schätze in Empfang zu 
nehmen. Schwer beladen haben deutsche Schiffe von hier aus 
nicht nur die Waaren des Handels, sondern auch das Licht und 
die Gesittung des Geistes in die umliegenden Länder verbreitet, den 
Acker- und Bergbau eingeführt und den Samen zu blühenden 
Städten ausgestreut. Stolz flaggeten ihre Farben an den Wellen 
der Ostsee, so lange Amerika noch nicht entdeckt und der Seeweg 
nach Ostindien noch nicht aufgefunden war. Welch ein Leben dieses 
Meer, das damals nächst dem mittelländischen das einzig befahrene 
war, zu wecken vermochte, davon zeugt für alle Zeiten die Hansa, 
dieser Handelsbund von 85 deutschen Städten, die theils am 
Meere, theils landeinwärts lagen, durch die Fluthen der Ostsee 
an einander gekettet wurden und durch diese zu Macht und An- 
sehen gelangten. Drittehalbtausend Schiffe mit 12,000 Seesoldaten 
hielt dieser Bund im See. Lübeck, das Haupt desselben, bauete die 
ersten Schiffe, welche Kanonen aufnehmen konnten, und England 
lernte an diesen den Kriegsschiffbau. Fürsten und Könige bewar- 
ben sich um die Gunst dieses Bundes, die Seeräuber und Raub- 
ritter fürchteten ihn. 
Die westliche Eingangspforte zu unserem Vaterlande führte ehe- 
mals den Namen: deutsches Meer. Das Gestade desselben ist der 
Ursitz des germanischen Stammes, und bis 1648 hatte das heilige 
deutsche Reich hier seine wichtigste Meeresprovinz, die Niederlande. 
Auch diese mit ihrem Rheindelta und der Schelde, dem Dollart und 
* Gude.
	        
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