301
solche Gewaltmittel kamen die Briten gleichzeitig in den Besitz der
Diamantenfelder und Goldminen. War diese Einverleibung eine
völkerrechtliche? Darüber wird die Geschichte urteilen. In dem am
31. Mai 1902 geschlossenen Frieden verloren beide Republiken ihre
Unabhängigkeit und mußten sich in alle von der englischen Re-
gierung vorgeschriebenen Gesetze fügen.
30. Stadtleben in den Bauernrepubliken Süd-flfrikas.
Eine südafrikanische Stadt, die wir Dorf oder Flecken nennen
würden, entsteht an einem Bach oder Fluß um eine Kirche herum,
unter welcher man sich ein scheunenartiges, schmuckloses Gebäude mit
einem Eisen- oder Ziegeldach vorzustellen hat. Daneben steht das be-
scheidene Schulhaus und die Predigerwohnung, welche geräumig einge-
richtet wird, weil der Geistliche viel Besuch von reisenden Amtsbrüdern
zu erhalten pflegt. Neben der Kirche befinden sich auch Wirtshaus, Kram-
laden, eine Schmiede und andere gemeinnützige Räumlichkeiten, welche für
die zum Gottesdienst herbeikommenden Bauern Bedürfnis werden, da nach
der Kirche gewöhnlich Geschäfte und Einkäufe gemacht werden. Siedeln
sich andere Bewohner an, so mißt man die breiten Straßen schnür-
gerade ab, und umgibt die Häuser mit weiten Gehöften und Gärten,
denn Grund und Boden hat ja in der menschenarmen Steppe wenig
Wert. Nach und nach wächst die Reihe der einstöckigen kleinen Häuser
mit dem platten Dach zur Stadt an; denn die reichen Bauern lieben
es, im Kirchorte ein eigenes Haus zu haben, welches sie als Absteige¬
quartier benutzen, damit sie nicht auf der Straße mit ihren Ochsen-
wagen halten müssen, wenn sie die weite Reise zu dem Gottesdienst
gemacht haben. Endlich läßt sich auch ein Arzt, Apotheker und Advokat
nieder, schlagen Behörden ihre Kanzlei auf, und zuletzt baut man als
schönstes Haus im Ort das Gefängnis mit großen Fenstern. Die Hütten
der Arbeiter, der faulen Kaffern und schmutzigen Hottentotten vervoll-
ständigen als Vorstädte den ganzen Stadtplan.
Da nun die Hitze groß ist und die Sonne einen großen Teil des
Jahres hindurch säst senkrecht auf die ungepflasterten staubigen Straßen
hernieder scheint, so bepflanzt man diese mit Sykomoren, Akazien und
anderen Bäumen, welche ihnen ein freundliches ländliches Aussehen geben,
und säumt den Bach mit Weidenbusch ein.
Einförmig schleichen die Tage der Städter dahin. Am frühen
Morgen erscheinen die braunen Mädchen der Eingeborenen, mit dem
Kruge auf dem Kopfe, um Wasser aus dem Bache oder Brunnen zu
schöpfen, zu scherzen, zu lachen und Stadtneuigkeiten zu verbreiten.
Später nach einem reichlichen Frühstück beginnen die Tagesarbeiten der
übrigen Bewohner, bis gegen Mittag allgemeine Ruhe eintritt. Die
Hitze ist groß, die Luft hat im Sommer die Glut eines Backofens;
Menschen und Tiere suchen irgendwo Schatten. Kein Windchen regt