370 
strömen; dieses aber, sowie die Betrachtung, daß der Fuß des Ge- 
steins stets unterwaschen wird, möchte Wohl selbst einen beherzten 
Mann von dem Versuche eines Eindringens in diese gräßliche Schlucht 
abhalten, die noch dadurch an Schauer gewinnen muß, daß dem Be- 
obachter nicht eine lebende Kreatur begegnet. Trotz dem Schrecken, 
welchen einem jeden der Gedanke eines Sturzes durch diesen ungeheuren 
Fall erwecken muß, versuchte es vor mehreren Jahren ein gewisser 
Samuel Patsch, von einem neben der Ziegeninsel über dem Fels- 
rand des großen Falles angebrachten Gerüste in den Schlund des 
Niagara hinabzuspringen, was ihm glücklich gelang. Er hatte denselben 
Sprung zuvor einen jungen Bären machen lassen, dessen glückliches 
Wiederauftauchen ihm den Mut gab, ein gleiches Wagnis zu versuchen. 
Dadurch übermütig gemacht, unternahm er den Sprung zum zweiten- 
mal, wurde aber nie wiedergesehen. Dasselbe Schicksal hatte der Welt- 
berühmte Schwimmer Kapitän Webb,-der im Juli 1883 die 
Stromschnellen des Niagara passierte. Als er aber den Wirbel 
erreichte, sank er unter, kam jedoch noch einmal an die Oberfläche und 
nahete sich endlich dem unbeschreiblich gewaltigen, schrecklichen Trichter. 
Hier wurde Webb in den schäumenden Abgrund hinabgerissen und ver- 
schwand vor den Augen der Zuschauer. 
Der Laus des Niagara von der Ausmündung des Erie-Seees bis 
zu seiner Einmündung in den Ontario beträgt etwa ö1/^ preuß. Meilen. 
Er ist bei seinem Austritte aus dem Erie 1243 Mtter breit und hat 
daselbst 8 Meter mittlere Tiefe. Während seines kurzen Laufes durch- 
bricht er 62 bis 94 Meter hohe, schroffe Felsenwände, und wird nicht 
selten auf die geringe Breite von 86 Schritt eingeengt, wodurch seine 
Tiefe bis gegen 60 Meter gesteigert wird. Wenige Meilen unterhalb 
seines Falles tritt der Strom aus den Bergen hervor und breitet sich 
mehr als zehnfach aus, worauf er dann mit ruhigen Wellen und sanften 
Krümmungen fortfließt, bis er den Ontario-See erreicht. Auch jene 
Strecke, welche er nach seinem Falle zwischen den Felsen zurücklegt, ist 
nicht ohne staunengebietende Naturerscheinungen, davon die beiden wich- 
tigsten Szenen das Teufelsloch und der Wirbel sind. Bei dem 
Teufelsloch ragt ein Felsen hoch aus dem Wasser empor, von dessen 
kahler Platte man eine ganz freie Aussicht auf den Niagarastrom hat, 
dessen schäumende Wogen sich unaufhörlich an dem Felsen brechen. 
Ebenso malerisch ist der sogenannte Wirbel, der dadurch entsteht, 
daß der Strom bei einer starken Krümmung in sein linkes Ufer ein 
großes Bassin (Becken) ausgewühlt hat. Hier ist ein immerwährender 
Kamps der Wogen mit allem, was sich ihnen entgegenstellt, sichtbar; 
nicht nur, daß sich die Wasser an den Felsen brechen und hoch auf- 
schäumen, sondern hergeschwemmtes Treibholz und ganze Bäume wer- 
den im Kreise herumgetrieben und durch die Gewalt der brausenden 
Strömung zersplittert.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.