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Als der Arriero sich überzeugt hatte, daß er mit einigen Quet-
schungen davon gekommen war, brachte er, wenn auch nicht ohne große
Mühe, sein Maultier, welches wunderbarerweise unverletzt geblieben
war, wieder auf den Pfad hinaus, setzte seinen Marsch auf dem ge-
fahrvollen Bergpfade fort und erreichte gegen Mittag die nach Mexiko
führende Straße, auf der er vor ferneren Angriffen sicher war.
31. Ein Gaffhof in ülexiko*
Es war spät am Abend, als ich die Hauptstadt erreichte und in
Begleitung meines Dieners durch das Tor des heiligen Lazarus in
eine elende Gasse hineintritt. „Halten sie an!" rief plötzlich mein
Diener; „der Lasso! Um Gottes willen nehmen Sie sich in acht!"
Ich hatte eben nur Zeit mein Pferd herumzuwerfen, als ein eigen-
tümliches Geräusch wie das Pfeifen einer Peitschenschnur an mir vorüber-
sauste. Einen Augenblick darauf schien mir ein unbekannter Gegenstand
über meinem rechten Arme zu schweben, und dann flog eine wilde, auf
einem Pferde sitzende Gestalt laut fluchend an mir vorüber.
„Es verfolgt uns noch einer!" rief mein Begleiter. „Das abscheu-
liche Raubgesindel! Aber nein, er kehrt wieder um, wahrscheinlich hat
ihn der mißlungene Versuch seines Gefährten entmutigt."
Wir waren in der Tat nahe daran gewesen, durch die Lassos
zweier Räuber von den Pferden gerissen und ausgeplündert zu werden;
denn der zweite Räuber hatte offenbar die Absicht gehabt, sich meines
Dieners zu versichern, wenn es seinem Genossen gelungen wäre, mich
mit seinem Fangriemen niederzuwerfen.
Solche räuberische Überfälle mit dem Lasso mitten in den Straßen
ver Hauptstadt gehören noch immer zu den gewöhnlichen Ereignissen,
obgleich die Behörden, zur Verhütung dieser Greuel, berittene Polizei-
beamten durch die Straßen schicken. Übrigens befanden wir uns in
dem verufensten Teile der Hauptstadt, in den sich, wie ich später
erfuhr, selbst die Polizei bei Nacht nicht hineinwagt. Die Menschen,
denen wir begegneten, waren in schmutzige Lumpen gehüllt; viele von
ihnen hatten mißgestaltete Glieder oder verbundene Köpfe oder waren
mit ekelhaften Geschwüren bedeckt. Fast alle hatten einen boshaften,
leidenschaftlichen Ausdruck in ihren Zügen und ein freches Benehmen,
so daß ich sroh war, als wir endlich in ein besseres Stadtviertel ein-
bogen. Mit Sehnsucht sah ich mich nach einem freundlichen uud rein-
lichen Wirtshause um, in dem ich mich von den Anstrengungen der
Reise erholen konnte, obgleich ich bei der Erinnerung an die abscheu-
lichen Herbergen, die ich bisher in Mexiko kennen gelernt hatte, eine
traurige Ahnung nicht unterdrücken konnte. Endlich hielten wir vor
einem Gasthofe, der uns empfohlen worden war. Eine Zeit lang
blieb unser Klopfen und unser Rufen nach dem Wirte ohne Antwort,
' Nach Mason.