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Der Taucher stopft sich, bevor er ins Wasser steigt, Ohren und 
Nasenlöcher mit Baumwolle oder mit Wachs zu, nimmt einen ölgetränkten 
Schwamm in den Mund, zieht die Lungen voll Luft und sinkt nun¬ 
mehr schnell, an einem langen Taue niedergelassen, unter, er muß 
gewöhnlich 25 bis 30 Meter hinab, bevor er den Boden der Perlen¬ 
bänke trifft, hier sammelt er so schnell wie möglich, und so viel, als er 
erreichen kann, Muscheln in seinen Korb, ohne eine Auswahl zu treffen, 
denn oft enthalten große Muscheln keine Perlen, und kleine haben sieben 
bis acht von der auserlesensten Schönheit. Sobald der Taucher fühlt, 
daß er nicht mehr lange aushalten kann, giebt er durch Schütteln seines 
Taues den oben im Schiffe Wartenden ein Zeichen, und diese ziehen 
ihn rasch empor. Geschieht es durch Unaufmerksamkeit oder durch irgend 
einen andern Zufall nicht augenblicklich, so ist er verloren; wenn er 
nach anderthalb bis zwei Minuten in das Schiff gelangt, ist er so er¬ 
schöpft, daß er kein Wort sprechen kann und sich niederlegen muß, weil 
ihm die Füße den Dienst versagen. 
Man spricht zwar von Viertelstunden, welche ein geübter Taucher 
unter dem Wasser aushalten könne, von einer Sitte mehrerer Fischer- 
inseln im Mittelmeer, daß die jungen Leute, welche sich von der Korallen¬ 
fischerei nähren, nicht eher heiraten dürfen, als bis sie fünf Minuten 
lang untertauchen können. Alle diese Angaben scheinen jedoch fabelhaft, 
denn vr. Lefevre aus Rochefort, welcher in Navarin stationiert war 
und häufig Gelegenheit hatte, die Kräfte der Taucher in Hinsicht auf 
die Dauer der Zeit zu prüfen, während welcher sie unter Wasser bleiben 
können, giebt in ganz bestimmten Daten an, was geschickte Taucher zu 
leisten vermögen. Es wurden deren viele gebraucht, um die Schätze 
der iu jenem berühmten Hafen untergegangenen türkischen Flotte heraus¬ 
zuholen; die Tiefe, zu welcher sie hinab mußten, betrug 30 Meter — 
aber obgleich die griechischen Taucher zu allen Zeiten wegen ihrer Stärke 
und Ausdauer in ihrer Kunst berühmt waren, so konnte doch keiner von 
ihnen länger als zwei Minuten unter Wasser aushalten, 76 Sekunden 
war in 14 Fällen, die er ausgezeichnet hatte, die durchschnittliche Zahl 
— häufig stürzte, wenn sie an die Oberfläche kamen, das Blut aus 
Mund, Auge und Nase des Schwimmers, allein sie sind dennoch im¬ 
stande, ihr Geschäft drei bis viermal in einer Stunde zu wiederholen. 
So auch ist es mit den Tauchern des Indischen Meeres und zwei Mi¬ 
nuten das Höchste, wozu ein guter Taucher es bringt. 
Sind die ersten fünf Taucher in ihre Schifflein zurückgekehrt, so 
stürzen sich fünf andere ins Meer, dann kommt an die dritte und vierte 
Partie und hierauf wieder an die erste die Reihe. Gegen Mittag 
kehrt die ganze Flotte von Perlenbooten zurück zum Strande. Ein 
buntes tosendes Gewimmel beginnt nun, indem bei dem bekannten wildeii 
Lärm der indischen Märkte niemand sein eigenes Wort versteht. Hat 
endlich jeder Herr sein Schisstein gefunden, macht er ein freundliches 
oder verdrießliches Gesicht, je nachdem der Fang seinen Erwartungen 
Geogr. Bilder. 2r Band. g
	        
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