Full text: Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild (Bd. 1)

— 136 — 
trügen Knöpfe, die der Drechsler ans ihren Hufen gefertigt hat 
und irgend ein Bauer oder Gärtner kaufte den Dung und den 
Leim aus seinen Knochen. Am besten gefällt mirs, daß die 
schönen langen Haare an Schweif und Mähnen auf Violinbögen 
gespannt werden, da macht das Pferd noch im Tode den Men- 
schen Freude, wenn er liebe Lieder und frohe Tänze erklingen 
hört." 
55. Wie Fritzl die Vorschriften für den Verkehr 
praktisch gelernt hat. 
„Nun, Mutter, freut's dich nicht, daß der Junge so glatt 
und gut in die Lateinschule aufgenommen wurde?" fragte mit 
vergnügtem Gesicht der Vater. „Ja natürlich," seufzte Mutter, 
„aber bange habe ich halt auch um ihn. Denk nur den weiten 
Schulweg? Was kann da alles vorfallen? Man weiß ja über- 
Haupt nie, was die Buben anstellen, wenn ein Trupp zu- 
sammenkommt!" 
„Ist nicht so gefährlich! Vor allem bekommt Fritzl eine 
Straßenbahnkarte." „Als ob damit Gefahr und Angst aus der 
Welt geschafft wären." „Nun, nun, er hat ja daheim und in 
der Schule genug Verhaltungsregeln gehört. Auf die wichtigsten 
werde ihn ihn nochmal aufmerksam machen. Du wirst ihm — 
soweit kenne ich dick — jeden Tag die dringendsten wieder- 
holen. Bleiben sie ihm nicht in Erinnerung, so muß er mit 
ein paar unangenehmen Erfahrungen Lehrgeld bezahlen. Auch 
ist er ja alt genug und doch im allgemeinen verständig, so daß 
du dich nicht so sehr zn beunruhigen brauchst?" 
Die Mappe unter dem Arm, die Schülerkarte in der Joppen- 
tasche, so wanderte der kleine Lateiner täglich vom Hanse fort. 
Wo er einsteigt, ist keine ständige, nur eine Bedarfshaltestelle. 
Wie es ihm geheißen, wartet er auf der „Insel" und gibt dem 
Wagenlenker ein Zeichen. Gleich beim ersten Male bekam er 
vom Schaffner einen grimmigen Deuter: „Erst aussteigen lassen? 
Können die Burschen nicht warten! Die Füße einziehen! 
Meinst du, ich will darüber stolpern? Oder sollen die Kleider 
der andern Leute den Schmutz von deinen Stiefeln fegen? 
Fahrkarte herrichten! Du kramst ja eine Ewigkeit bis du sie 
aus der Tasche bringst, ich habe noch mehr Fahrgäste, die auch 
Karteu bekommen müssen!" Beschämt senkte Fritzl den Kopf. 
Wie unangenehm von einem Fremden vor Fremden zurecht- 
gewiesen zu werden! Das wird er sich merken. Die Zer-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.