— 9 —
stauben pflückst. Laß mich frei! Du glücklicher Knabe weißt
nicht, wie das Heimweh quält! Schenke mir wieder mein
wonniges Leben in der Heimat! Bitte, bitte, mein Kind!"
6. Das Vaterhaus, die engste Heimat.
„So, so, daheim bei uns," sprach langsam und bedächtig
der Vetter Jürgen seinem Brudersohne nach, „daheim bei euch?
Was wißt denn ihr Stadtleute von einem Daheim? Gehört
euch auch nur ein Fleckchen Boden so groß wie eure Schuhsohle
zu eigen? Alles nur für kurze Zeit gemietet, schnell verändert
und schnell vergessen. Das könnte mir nicht passen. Freilich,
dein Vater hat schon als Bube so was Besonderbares gehabt,
saß lieber hinter einem Buch vom Herrn Lehrer und vom Herrn
Pfarrer, als daß er mit dem Pflug ging, wollte durchaus zur
Studi. Vornehmer mag ja so ein Gstudierter sein, aber lieber
ist mir's, wie ich es mir eingerichtet habe. So herumwandern
von einer Stadt in die andere, wo man eben angestellt wird,
in einem Haus mit einer Menge wildfremder Leute — nein,
das wäre nichts für mich. Schau um dich, Bub! Da auf dem
Fleck Erde bin ich der Herr. Was ich schaffe, was ich pflanze,
was ich baue, für mich ist's, und so Gott will, soll's mein
Ältester einmal übernehmen, wie ich's vom Vater und der vom
Großvater bekam, wie sich's fortgeerbt hat von Ahnen und
Urahnen her." Beinahe ängstlich schaute Rudolf den Vetter an,
der seine Rede wohl etwas barsch herausgepoltert hatte." Na,
laß gut sein," begütigte ihn der, „ist er auch anders wie wir,
so sind wir doch von einem Stamm, in einem Hans geboren
und aufgewachsen und unser altes Haus ist ihm immer uoch
lieb, wie jedem braven Mann Vaterhans und Heimaterde feilt
muß." „Das weiß ich," atmete Rudolf erleichtert auf, „Vater
hat mir viel erzählt und gelt, Vetter, du zeigst mir alles, wo
ihr als heilige drei Könige gegangen seid und wo ihr am
Hirtenfeuer die Kartoffeln gebraten habt und wo du einmal
von Holderbauers Apfelbaum " „Ja freilich alles,"
unterbrach ihn der Vetter, „aber unsere dummen Streiche
hätte dir dein Vater verschweigen können. Tut nichts, sollst
alles sehen und bin ich nicht mit, da der Große, der Sepp,
der weiß es ebensogut." Voll Stolz stand des Vetters Erst-
geborener da, stolz auf den stattlichen Hof, stolz auf die Aus-
ficht, einst da schalten zu dürfen, wo eine Reihe ehrenwerter
Männer vor ihm gewaltet. Mit leuchtenden Augen nahm er