Full text: Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild (Bd. 1)

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stauben pflückst. Laß mich frei! Du glücklicher Knabe weißt 
nicht, wie das Heimweh quält! Schenke mir wieder mein 
wonniges Leben in der Heimat! Bitte, bitte, mein Kind!" 
6. Das Vaterhaus, die engste Heimat. 
„So, so, daheim bei uns," sprach langsam und bedächtig 
der Vetter Jürgen seinem Brudersohne nach, „daheim bei euch? 
Was wißt denn ihr Stadtleute von einem Daheim? Gehört 
euch auch nur ein Fleckchen Boden so groß wie eure Schuhsohle 
zu eigen? Alles nur für kurze Zeit gemietet, schnell verändert 
und schnell vergessen. Das könnte mir nicht passen. Freilich, 
dein Vater hat schon als Bube so was Besonderbares gehabt, 
saß lieber hinter einem Buch vom Herrn Lehrer und vom Herrn 
Pfarrer, als daß er mit dem Pflug ging, wollte durchaus zur 
Studi. Vornehmer mag ja so ein Gstudierter sein, aber lieber 
ist mir's, wie ich es mir eingerichtet habe. So herumwandern 
von einer Stadt in die andere, wo man eben angestellt wird, 
in einem Haus mit einer Menge wildfremder Leute — nein, 
das wäre nichts für mich. Schau um dich, Bub! Da auf dem 
Fleck Erde bin ich der Herr. Was ich schaffe, was ich pflanze, 
was ich baue, für mich ist's, und so Gott will, soll's mein 
Ältester einmal übernehmen, wie ich's vom Vater und der vom 
Großvater bekam, wie sich's fortgeerbt hat von Ahnen und 
Urahnen her." Beinahe ängstlich schaute Rudolf den Vetter an, 
der seine Rede wohl etwas barsch herausgepoltert hatte." Na, 
laß gut sein," begütigte ihn der, „ist er auch anders wie wir, 
so sind wir doch von einem Stamm, in einem Hans geboren 
und aufgewachsen und unser altes Haus ist ihm immer uoch 
lieb, wie jedem braven Mann Vaterhans und Heimaterde feilt 
muß." „Das weiß ich," atmete Rudolf erleichtert auf, „Vater 
hat mir viel erzählt und gelt, Vetter, du zeigst mir alles, wo 
ihr als heilige drei Könige gegangen seid und wo ihr am 
Hirtenfeuer die Kartoffeln gebraten habt und wo du einmal 
von Holderbauers Apfelbaum " „Ja freilich alles," 
unterbrach ihn der Vetter, „aber unsere dummen Streiche 
hätte dir dein Vater verschweigen können. Tut nichts, sollst 
alles sehen und bin ich nicht mit, da der Große, der Sepp, 
der weiß es ebensogut." Voll Stolz stand des Vetters Erst- 
geborener da, stolz auf den stattlichen Hof, stolz auf die Aus- 
ficht, einst da schalten zu dürfen, wo eine Reihe ehrenwerter 
Männer vor ihm gewaltet. Mit leuchtenden Augen nahm er
	        
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