273
Troja, verkündete der Seher Kalchas, daß Troja ohne Achill nicht erobert
werden könne. Thetis aber, um ihren Sohn vor dem Kriege zu bewahren,
der, wie sie wußte, ihm den Tod bringen würde, führte ihn zum König
Lykomedes auf die Insel Skyros, wo er im Mädchengewand mit den
Töchtern des Königs erzogen ward. Doch Kalchas verriet den Fürsten
seinen Aufenthalt, und dem schlauen Odysseus gelang es, ihn aus dem
Versteck herauszulocken. Als Händler verkleidet, kam er nach der Insel
Skyros an den Hof des Lykomedes und breitete vor den Mädchen schöne
Bänder, Armspangen, Ringe und andern Frauenschmuck ans, darunter
aber auch Schild und Speer. Da griffen die Mädchen nach den
Geschmeiden, Achill aber nach den Waffen. Dadurch verriet der Jüngling
sein Geschlecht, und ruhmbegierig folgte er gern der Einladung des Odysseus
zum Zuge nach Troja.
Des Patroklus Tod.
Dort erwies sein Heldenarm den Griechen die größten Dienste: er
allein erlegte eine große Menge der Feinde und verwüstete dreiund¬
zwanzig Städte. Leider aber entbrannte im zehnten Jahre des Krieges
zwischen ihm und dem Völkerfürsten Agamemnon, der ihm seinen Anteil
an der Beute, die schöne Briseis, entreißen wollte, ein verderblicher Zwist,
der damit endigte, daß sich Achill mit den Scharen seiner Myrmidonen,
die er gegen Troja geführt hatte, von den übrigen Griechen trennte und
von allen Kämpfen gänzlich fernhielt. So lag er denn tatenlos im Zelte,
mit den Klängen der Zither sich die Zeit vertreibend, und sah ruhig dem
Kampfe zu, der sich zu Ungunsten der Griechen gewendet hatte und schon
in der Nähe ihres Lagers tobte. Ihn rührte nicht die Not des hart-
bedrüngten Heeres, und vergebens waren die Worte des beredten Odysseus,
der, mit andern Helden von Agamemnon gesandt, durch Bitten und
Verheißungen den grollenden Göttersohn zu versöhnen suchte. Schon
hatte er beschlossen, in wenigen Tagen ins heimatliche Land zurückzu¬
fahren, als ihn der Tod seines geliebten Freundes Patroklus aus seiner
grollenden Ruhe riß. Patroklus war in Achills Rüstung den Griechen
zu Hilfe geeilt. Da glaubten die Troer den Achill selber zu schauen,
ffohen nach der Stadt, und viele sanken von der Hand des verfolgenden
Helden. Doch zu weit ließ er sich von seiner Kampflust fortreißen; der
gewaltige Hektor selbst, des Königs Priamus ältester und tapferster Sohn,
trat ihm entgegen, erschlug ihn und brachte die herrliche Rüstung als
Beute heim, um sie fortan selber zu tragen. Den Leichnam aber entrissen
die griechischen Helden unter schwerem Kampf den Händen des Siegers.
Als Achill die Leiche des teuren Gefährten sah, erfaßte ihn rasender
Schmerz. Er warf sich in den Staub, raufte sich das Haar und wollte
sich von niemand trösten lassen. So laut erscholl seine Wehklage um
den verlorenen Jugendgenossen, daß auch Thetis, seine Mutter, in der
Porger-Wolff, Lesebuch für Knaben-Mittelschulen. IV. 18