Einleitung.
Die geographische Namenkunde, d. h. die Wissenschaft, welche
die ursprüngliche Bedeutung der in der Erdkunde gebräuch¬
lichen Namen festzustellen sucht, gehört zu den Zweigen des
menschlichen Wissens, welche sich äußerst langsam zu einiger
Vollkommenheit entwickelt haben. Dieser langsame Fortschritt
hat seinen Grund hauptsächlich darin, daß die geographische
Namenkunde in fast alle anderen wissenschaftlichen Gebiete ein¬
greift und diese zu ihrem Ausbau heranziehen muß. Nicht nur eine
eingehende Kenntnis der toten und lebenden Sprachen, der Erd¬
kunde, Weltgeschichte, der Mythologie und Religionslehre der ein¬
zelnen Völker ist als Grundlage zu ihrem Studium erforderlich,
sondern auch eine genaue Bekanntschaft mit den Naturwissen¬
schaften, besonders zur Feststellung der Bedeutung der in der
allgemeinen Erdkunde gebräuchlichen Namen ; aber auch in der
speziellen Länderkunde finden wir viele Namen, welche den Orten
nach Tieren, Pflanzen, Mineralien oder nach der geologischen Be¬
schaffenheit der Gegend gegeben sind.
Die ersten Anfänge der geographischen Namenkunde sind
uralt; mehrere Schriftsteller des Altertums erklären gelegentlich
einzelne geographische Namen; der Römer Terentius Varrò (116—27)
hat sogar schon ein ausführliches Werk über die Erklärung von
Ortsnamen geschrieben. Später war es besonders der bekannte
Geograph Mercator (1512—1594), welcher sich bemühte, im Text
seiner Atlanten die geographischen Namen zu erklären. Trotzdem
viele andere Gelehrte seinem Beispiel folgten, so waren doch die
meisten dieser Arbeiten bis gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts
unmethodisch und enthielten häufig viele phantastische und ganz
unhaltbare Erklärungen. Die neuere Literatur über geographische
Namenkunde ist so umfangreich, daß ich hier nur einige der aller-
wichtigsten Bücher erwähnen kann.*)
Das umfangreichste und wertvollste Werk ist ohne Zweifel:
Egli, Nomina geographica (1893). Trotzdem der Verfasser dieses
Buches über 3000 Einzelarbeiten benutzt hat und 42117 geogra¬
phische Namen erklärt, so läßt uns dieses große Sammelwerk doch
hinsichtlich Deutschlands und Österreichs, die in unseren Schul¬
*) Das ausführlichste Literaturverzeichnis ist : Egli, Geschichte der geogra¬
phischen Namenbunde (1886).
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