Full text: Die außereuropäischen Erdteile und die Weltmeere (Teil 2, H. 1)

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den Bevölkerung sind brahmanische Hindu, 57 Mill. sind Mo- 
hammedaner, B1/2 Mill. Buddhisten. Die Zahl der Christen beträgt 
21/4 Mill. 
Die Religion der Inder war anfangs ein einfacher Naturdienst. Dyo war 
der Gott des Lichts, des Himmels. In den ältesten Religionsbüchern, den Bedas, 
die im Sanskrit geschrieben sind, tritt eine bunte Menge von Göttern auf. Agni, 
der Gott der Priester, verzehrt als Blitz die Opfer uud trägt die Gebete zum 
Himmel. Opfer, Gebete und Bnßübungen erhielten durch Zahl und ungemessene 
Ausdehnung schöpferische Kraft, da die Götter durch sie gezwungen werden konnten, 
die erwünschten Leistungen zu vollziehen. So gelangten die Inder zu dem Begriff 
Brahma, dessen älteste Bedeutung Gebet war, das Erhebende, die schöpferische 
Kraft. (Brahma wurde auch persönlich gedacht und als Schöpfer verehrt; neben 
ihm kannte man noch Wischnu, den Erhalter, und Siwa, den Zerstörer, dessen 
Gattin die schreckliche Kali ist). In Verbindung mit dieser Lehre stehen die un- 
zähligen Vorschriften über Reinigung, Bußübungen und Räucherungen, für Be- 
wegungen, Gebärde und Blick zu allen Jahres- und Tageszeiten und bei allen 
Handlungen. Alle diese Vorschriften müssen ängstlich beachtet werden. Für die 
geringste Abweichung hat die Seele des Verbrechers verschiedene Grade von Strafe 
nach dem Tode zu erdulden. Um durch Bußübungen die Volksbewunderung und 
Heiligkeit und nach dem Tode die Seligkeit zu erlangen, bildeten sich zahlreiche 
Sekten von Fanatikern, die in Selbstpeinigungen aller Art sich nicht genug tun 
können (Fakire). 
Von den unerträglichen Lasten, welche die Brahmanen dem Volke auslegten, 
brachte Buddha Erlösung. Er war der Sohn des Fürsten eines kleinen Fürsten- 
tums an den nepalesischen Vorhöhen des Himalaja aus dem Stamme Gautama, 
namens Siddhärtha1. Er erkannte die Nichtigkeit der Opfer und der Bußübungen 
sowie des Gebets im Sinne der Brahmanen, verkündete seine Lehre allen durch 
die öffentliche Predigt in der Volkssprache und stellte sich in Gegensatz zu der 
Kasteuordnnng. Er lehrte, daß die Sünde der Grnnd alles irdischen Elends ist. 
Zur Strafe für die Sünde ist der Mensch in den Kreis der Seelenwanderung 
gebannt, bis sein Geist, gereinigt, eingeht in die Nirwana, d. i. das Nichtsein, den 
letzten und höchsten Zustand, den der Fromme zu erreichen vermag. Durch Askese 
und Verseukeu in sich selbst ist dieser Zustand schon hier zu erreichen. Für das 
Volk, das diesen Übungen nicht leben kann, schrieb Buddha vor: Bezähmung der 
Leidenschaften und werktätige Liebe gegen alle Geschöpfe. Buddha, der durch 
seinen tugendhaften Wandel und die Stärke seiner Andacht die Kraft erlangte, 
Wunder zu tun uud in die Zukunft zu fchaueu, wurde nach seinem Tode göttlich 
verehrt. Seine Asche wurde verteilt, und über derselben erhoben sich in Indien 
Tempelhallen (Pagoden). Hierdurch wurden die Brahmanen bewogen, auch ihren 
Göttern Tempel zu erbauen. 
Der Zug der Inder, das Innenleben zu pflegen, hat sie zu hervorragenden 
Leistungen in Wissenschaft und Kunst gebracht. Ausgezeichneter Pflege erfreute sich 
die Mathematik; aus Indien brachten die Araber nach dem Abendlande die Kunst, 
durch zehn Zahlzeichen — die fälschlich „arabisch" genannten Ziffern — jede be¬ 
liebige Zahl durch den Stellenwert zu bezeichnen. Von den Brahmanen wurde 
die altindische Schriftsprache, das Sanskrit, grammatisch festgelegt und die Dicht- 
knnst gepflegt. 
Aber die alte Tapferkeit und Energie ging unter beschaulichem Leben ver- 
loren, und die Hindu wurden von fremden Eroberern unterjocht. Die neu eut- 
standen? mohammedanische Welt übte hier großen Einfluß, und ein großer Teil 
der Bewohner bekennt sich noch heute zum Islam. 
Die Dravidas im s-en Dekan und auf Ceylon sind von mitt- 
lerer Statur, dunkler Hautfarbe, haben volle Lippen und dichtes 
Haar. Als Religion ist von den arischen Indiern allmählich die 
1 Peschel, Völkerkunde, S. 285.
	        
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