Laden. Volk und Staat.
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Der Hafer kommt noch bis 1200 m fort; der dürftige Sandboden erzeugt jedoch nur
wenige Jahre hindurch eine genüge Ernte, und muß sodann eine längere Reihe von
Jahren wieder ruhen, worauf er durch Abbrennen des Rasens und Strauchwerks
(„Motten") etwas gedüngt und wieder angepflanzt wird, wie dies in allen rauhen
Sand- und Urgebirgen, bis nach Schweden und Norwegen hinauf, geschieht. Einen
nicht geringen Nahrungszweig aber gewähren neben dem Holze der mächtigen Waldungen
die Menge der Waldbeeren. — Die höchsten Gebirgsrücken und Kuppen endlich von
1400—1500 m sind meist baumlos, dort lagert der Schnee bis in die heißen Sommer-
monate hinein; nur einzelne Streifen von Rottannen ziehen noch an den steilen Abhängen
hinauf, die von wenigen Gesträuchen bekleidet sind und manche Alpeupflänzcheu Zeigen (Alpen-
glöckchen, eine Art Alpenrose, die Alpenjohannisbeere n. s. f.) — die subalpine
Region, den niederen Gegenden der Schweizer Alpeu ähnlich.
Ein so wechselreiches, fruchtbares, mit allen Lebensbedürfnissen wohlversehenes
Land ist Baden durch seine Lage, beinahe im mittleren Teile der gemäßigten Zone,
durch seine Bodengestalt und sein im allgemeinen günstiges Klima. Vom Bodensee
bis Mannheim schmückt den Boden ein trefflicher Pflanzen wuchs mit allen Ge-
wachsen, die in Süddeutschland heimisch oder eingebürgert sind. — Auch besitzt es
Salz (s. S. 113), dann gute Steinkohlen (im nördlichen Schwarzwalde), Eisen
genug (Schwarzwald, Randen, Klettgau ?c.), Kupfer, Kobalt und Silber in den
Gruben des Schwarzwaldes, und selbst Gold im Rheinsand (den ganzen Rhein ent-
lang, durch die Aare von den Alpen bis hieher geschwemmt; von 1857 bis 1860
für 156 666 fl., jetzt nur noch bei Philippsburg gewaschen).
D. Volk und Staat in Gaden.
8 III. Daher ist denn Baden auch ein starkbevölkertes Land; am
meisten natürlich die milden Gegenden: das Rheinthal, die Hauptthäler und der
südliche Fuß des Gebirges, das Hegau, die niedere Höhenplatte zwischen Schwarza
wald und Odenwald und Strecken der Gauplatte im Nordosten; am wenigsten die
Höhen des Schwarzwaldes und sein hochgelegener Ostrand, der Jura und die Höhen
östlich vom Odenwalds. Im ganzen wohnen in dem 274 Q.-M. oder 15 000 qkm
großen Lande 1570 000 Bewohner, somit 104 auf 1 qkm, was eine dichte Be¬
völkerung ist; am dichtesten ist sie in der Mitte des Landes. Vergleicht man Baden
mit Elsaß-Lothringen, so findet man, daß beide sowohl an Größe als an Einwohner-
zahl, mithin auch in Beziehung auf die Dichtigkeit der Bevölkerung einander ziemlich
gleichkommen.
Die Bewohner des Landes, die Badenser, ein Gemisch aus Schwaben
(Alemannen) nnd Franken — die Grenze zwischen Schwaben und Franken zog das
Oosthal hinauf ostwärts — sind ein reges, munteres, geschäftiges und sehr ge-
sprächiges Volk. Je mehr rheinabwärts, desto mehr, da der badische Stamm hier
in den fränkischen übergeht, bis der Pfälzer („Palzer" nennt er sich) den stärksten
Gegensatz gegen den Schwarzwälder bildet, wie auch seine fränkische schnelle Mund-
art am vollständigsten dem lieblichen Alemannisch des Schwarzwaldes entgegensteht.
Im Oberlande herrscht noch die alemannische Mundart vor, die Hebel in
seinen Liedern so lieblich zu gebrauchen wußte. Während auf der Ostseite von der
Mitte des Landes an gegen Süden die schwäbische Mundart herrschend ist, geht
dieselbe im Rheinthal allmählich in die fränkische Mundart über.
Die große Längenerstreckung und Verschiedenheit des Landes hat indessen auch
sonst starke Volksunterschiede zur Folge. Je rauher das Klima, desto arbeitsamer
und einfacher, genügsamer und zufriedener das Volk; je milder das Klima, je er¬