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X. Spanien.
birgsabhängen, und vornehmlich in wohlbewässerten Küstenlandschaften. Es zeigt
sich aber, daß sie sich ausdehnen läßt. Am wichtigsten ist die Weinproduktion,
(20 Mill. kl), von der 1880 6 Mill. hl im Wert von 192 Mill. Mk. exportiert
wurden; es folgen Olivenöl (2 V2 Mill. hl) und Espartogras (1 Mill. Ztr.).
Spanien besitzt an seinen meist steilen, mit tiefer See umgebenen Küsten nicht
wenige wohlgelegene, für den Seehandel wie für eine Seemacht vortreffliche S e e-
Häfen; allein der Handel liegt darnieder, besonders der innere Handel, aus Mangel
an schiffbaren Flüssen, Kanälen und Straßen; doch ist jetzt durch die Eisenbahnen
ein großer Schritt vorwärts geschehen. Am stärksten ist der Handel nach den Kolonieen.
Die Halbinsel hat eine große ozeanische Seite, durch die sie mit dem germanischen
Europa (besonders England) in Verbindung steht, und eine nicht geringe Mittelmeersseite,
durch die sie mehr mit der romanischen Welt und Afrika verbunden ist. Ein wirklich
lebendiger Verkehr mit dem Norden hat sich aber kaum entwickelt; und von außen auf
Spanien einzuwirken grenzt fast ans Unmögliche. Die gewaltigste Wirkung hat Spanien
seinerseits auf Amerika ausgeübt, dessen Hälfte beinahe seine Sprache redet.
So lasten auf dem Lande die Folgen langer Mißregierung und hauptsächlich die.
eines unseligen geistlichen Regiments. Losas d'Espana, sagt der Spanier, und meint da-
mit Schäden, die zu tief sitzen, als daß der Fremde sie leicht begriffe.
In Beziehung auf Klima und Vegetation finden sich die verschiedensten Ab-
stufungen in buntem Wechsel, und oft die schroffsten Gegensätze hart neben einander.
Hauptsächlich aber finden wir, daß Spanien aus drei Regionen besteht: 1) einer
nördlichen an der Küste, die infolge feuchterer Luft und des vorherrschenden, Regen
bringenden Westwindes (el criador, der Erzeuger) in Klima und Erzeugnissen Mittel-
Europa, besonders aber Euglaud ähnlich ist. 2) Das mittlere Hochland zeigt im schärf-
sten Gegensatz ein schroffes Festlandsklima mit großer Dürre und Armut des Pflanzen-
Wuchses: kahle Steppeu. 3) Die südliche Region, nebst den Küstenebenen im W. u. O.,
wo die Hitze des Sommers durch die Seenähe gemindert ist uud die Milde des Winters
einen herrlichen subtropischen Pflanzenwuchs gestattet, so daß neben der Eiche die Dattel-
Palme gedeiht, aber wo doch infolge der Dürre fchon nordafrikanische Natur vorherrscht.
Hauptwiude sind in Spanien zwei: der Gallego, ein schneidender Nordwind, der
über Galicien herkommt; uud der Solauo aus Afrika, der spauische Scirocco. Erd-
beben sind in Spanien nicht unbekannt; namentlich in Valencia und Murcia.
§ 402. Spanien ist ein 9089 Q.-M. großes Königreich mit etwa 16 Vs Mill. E.,
also nur 33 auf 1 qkm. Zur Römerzeit wurde die Bevölkerung auf 40 Mill.
geschätzt. Nichtspanier sind: etwa 50 000 Moriscos, die in Gebirgsthälern von
Granada leben, 50 000 Zigeuner (Gitanos genannt, d. i. Ägypter) und 5000 Juden.
Einen besonderen Stamm bilden die 500 000 Basken.
Unerachtet seiner Größe gehört Spanien doch nur zu den Staaten zweiten
Ranges. Es ist eine konstitutionelle Monarchie. Die Landstände heißen Cortes,
und sind in zwei Kammern geteilt.
Der Adel besitzt keine besonderen Vorrechte mehr, aber ungemein große
Güter, auf denen die gedrückten Pächter arbeiten; diesem hohen Adel, den 1359
„Granden" (d. i. Großen) soll die Hälfte des Landes gehören. Der niedere Adel,
die Hidalgos (S. 419 f.), sind größtenteils verarmt.*) Die Gemeinden haben noch
viel Selbstregierung, und das Gerichtsverfahren ist in Spanien öffentlich und münd-
lich. — Das Eigentum der Kirche, über 1k des Landes, ist zu einem Besitztum
der Nation erklärt worden; durch seinen Verkauf stieg die Wohlfahrt des Landes.
Auch die Eisenbahnen (jetzt 7800 km Länge) entwickelten die verborgenen Schätze
*) Daher ist auch der niedere Adelstitel Caballero (Kavalier) Gemeingut geworden. Der einstige
Grandentitel, von (dominus), wird jetzt wie in England Gentleman gebraucht. Sonst redete man in Spanien
jede anständige Person mit „Euer Gnaden" an: Vuestra Merced.