i. Das Bergland.
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kleinen der Berg- und Thalbildnng des nördlichen Schwarzwaldes so ähnlich, fast
ein Miniaturbild desselben ist. Würde etwa ein Schwarzwaldthal um das Doppelte
erweitert, seine Höhen um ein Drittel erniedrigt und deren steile Abfälle etwas der-
flacht, ohne jedoch ihre Hauptgestalt, die rundlichen Wölbungen, zu ändern: so wäre
ein Thal des niederen württembergischm Berglandes daraus geworden. Von zwei
sanftgewölbten Höhenzügen begleitet, an ihren sonnigen Abhängen mit Reben be-
Pflanzt, an den übrigen mit Obsthalden bedeckt, die Höhen mit Wald gekrönt, die
Thalgründe mit erlenumsäumten Bächen im saftigen Grün der Wiesen belebt, und
nun in den Weitungen mit einem Städtchen geschmückt, in den Seitenbuchten Dörfer
traulich versteckt und um alle Städte und Dörfer ein Kranz von Obstbäumen, —
dies sind die so freundlichen, milden und heimatlichen Thäler, wie sie der natur-
befreundete Schwabe vor allem liebt, wie er sie von einer wohnlichen Gegend un-
zertrennlich in der Seele hat.
Aus obiger Begleichung des niederen schwäbischen Berglandes und des
nördlichen Schwarzwaldcs erkennt man, wie ähnliches Gestein auch ähnliche Gestalten
der Landschaft bildet. Beide Landschaften bestehen aus Sandstein: der Schwarz-
Wald aus einem festeren und härteren, dem „bunten Sandstein," an dem daher die
Gewässer einen stärkeren Widerstand fanden, so daß sie das Gestein nicht so massenhaft
hinwegschwemmen und austiefen konnten, was steilere Abhänge, engere Thäler zur
Folge hatte; das Hügelland dagegen aus einer weicheren und mit mächtigen
Mergelfchichten wechselnden Sandsteinart, dem „Keuper", worin die Fluten leichter
arbeiteten, und weitere Thäler mit sanfteren Bergabhängen bildeten.
§ 36. Den Preis der freundlichen schwäbischen Gegenden wird immer das
Neckarthal behaupten, und zwar sowohl dasjenige von Cannstatt bis Eßlingen,
als das von Tübingen sieben Stunden weiter oben, und das von Heilbronn zehn
Stunden weiter unten. (Das großartigste Neckarthal haben wir außerhalb des
Schwabenlandes bei Heidelberg S. 32 kennen gelernt.)
Reizend ist das Neckarthal unweit Stuttgart von Cannstatt bis nach
Eßlingen hinauf (2 Stunden lang). Es ist auch eine besonders merkwürdige
Erdstelle, da hier das Hügelland des mittleren Schwabens sein westliches Ende er-
reicht und unterhalb Cannstatt eine neue Bodengestalt beginnt, die sanftgewellten
Gauplatten mit eng eingeschnittenen Wein-Thälern und kornreichen Fluren, zu denen
das Hügelland mit einer malerischen Terrasse abfällt. Dieses Gauland besteht
aus einer ungleich härteren und festeren Felsart als die Sandstein- und Mergelmasse
des Hügellandes, aus dem dichten „Muschelkalkstein", weshalb eben die Thäler
so enge, aber doch mit ihrem ebenen Wiesengrunde zwischen den steilen Rebenhalden
und dem vielgekrümmten Flusse, der durch die Thalsohle zieht, auch ungemein an-
sprechend sind. Ehe der Neckar einst in dieses feste Gestein einbrechen konnte, mußte
er seine Kräfte sammeln: er wühlte sich zuerst ein weites Bette aus am Schlüsse der
Hügelbildung, und dieses weite, vertiefte und ringsnmfchlosfene Thalbecken am Abfalle
der 200—250 m hohen sanften Hügelterraffeu vor dem Einbrüche in das Gauland,
mit dem üppigsten Pflanzenschmucke bedeckt, ist die mild anmutige Neckarlandschaft
von Cannstatt. Auf beiden Seiten ziehen zwei liebliche, mit Reben bedeckte und mit
Wald gekrönte Hügelreihen das Thal aufwärts; im Hintergrunde blicken, über dem
scheinbaren Thalschlusse bei Eßlingen, in bläulichem Dufte Berghöhen des Steil-
abfalles der schwäbischen Alb herüber; der große weite Thalgrund wird von dem
hier schon ansehnlichen Neckar durchströmt, am Fuße der schwellenden Hügelketten