Full text: Lesebuch der Erdkunde

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Asien. 
allem die größten Massen, die größten Unterschiede und Extreme, alle Zonen und 
deren Eigentümlichkeiten, und alle Lebensweisen der Völker, von der niedrigsten bis 
zur höchsten Kulturstufe vereinigt, scheint Asien vor allen Weltteilen geeignet, die 
Wiege des Menschengeschlechtes zu sein. Hier fanden die Menschen alle die verschie¬ 
densten Erdgebiete und Erdnaturen, wie sie jedem Menschenstamme oder Völkerart 
zusagten; und wenn je Übervölkerung das eine oder das andere Volk bewog, in 
einem andern Teile der Erde seine Heimat zu suchen, so wiesen ihnen zahlreiche 
Stromsysteme, die von einer gemeinsamen Mitte nach den verschiedensten Richtungen 
ausgehen, die Bahnen nach allen Gegenden der Welt. In dieser Mitte berühren 
sich drei Haupt st ämme des Menschengeschlechts: der k a u k ä's i s ch e, der 
mongolische, und der m a l a y i s ch e. Dort begegnen sich die wichtigsten Ur- 
sprachen, die indo-europäische, die chinesische und die tatarische, sowie die ältesten 
Religionen. Und auf diese Mitte der alten Welt weisen denn auch alle Ansänge 
der Völkergeschichte zurück. Da blühten die ersten Weltreiche in den Jahrtausenden, 
da Europa noch unbekannt war, und füllen die erste Geschichte der Welt: Babel, 
Assyrien, Indien, China. 
Die Bevölkerung Asiens zerfällt in drei Rassen: 
I. Kaukasische Raffe. Die Völker dieser Rasse umfassen drei Sprachstämme: den 
indoeuropäischen (Inder, Perser, Armenier — in Europa Slaven, Germanen und 
Romanen), den kaukasischen (Georgier, Mingrelier, Tscherkessen, Tschetschenzen, Les- 
ghier), den semitischen (Aramäer, die Ehaldäer und Syrer; Israeliten und Phöni- 
kier, Araber). 
II. Mongolische Raffe. 1) Der chinesische Sprachstamm (Chinesen, Jndochinesen, 
Tibetauer), 2) der tatarisch-fiuuische Sprachstamm (Japaner, Mongolen, Tuugusen 
und Mandschu, Türken, Finnen, Ostsibirier). 
III. Malayische Raffe (Malayen, Japanesen, Battas, Dajaken, Tagaler). 
In keine dieser Rassen können mit Sicherheit eingefügt werden die drawidischen 
Stämme Südindiens und noch einige unbedeutende Bergvölker. 
§ 497. In der Gestaltung des Weltteils zeigt sich Europa als Asiens Abbild 
im Kleinen. Wie Europa einen Kontinentalstamm mit vielen Gliedern und Groß- 
inseln hat, so Asien, nur kolossaler. Wie Europa im S. seines Festlandskörpers 
von mächtigen Gebirgen geschlossen ist, die von nur wenigen großen Strömen durch- 
Krochen sind, gerade so Asien auch. Wie im S. des europäischen Festlandsstammes 
drei große Halbinseln in das Meer hinausragen, so auch bei Asien. Wie im N. 
Europas sein großes Tiefland sich zum Eismeer ausbreitet — zuletzt eine Snmps- 
und Flechtenwüste, ebenso im N. Asiens, aber hier eine öde Welt, so groß als ganz 
Europa. Wie dann in Europa unter seinen Hochgebirgen das höchste und Pracht- 
vollste sich in seiner Mitte erhebt und seine mittlere Südhalbinsel wie eine Fels- 
mauer umstarrt, ebenso in Asien „die Wohnung des Schnees" (Himalaja) im 
N. Indiens. Wie die Alpen Europas im N. zunächst von einem Hochlande, und 
dann von einem dreigegliederten Mittelgebirge umschlossen sind, so der Himalaja; 
nur ist das Hochland in Asien wiederum kolossal in Erhebung, Ausdehnung und 
Starrheit seiner Natur; und auch die Mittelgebirge sind zu gewaltigen Hochgebirgs¬ 
zügen gesteigert: im W. ähnlich dem französischen das iranische (persische), in der 
Mitte statt des deutschen das mongolische, im O. statt des slavischen das chinesische. 
— Ferner: wie in Europa die drei Halbinseln des S. unter einander gar ver- 
schieden charakterisiert sind, ebenso in Asien. Dem schönen Italien entspricht Vorder- 
indien, das wunderreichste Land der Erde, sogar mit einem Sizilien an seiner Süd- 
spitze, nur gegen £). gelegen, Ceylon; dem heißen Spanien mit seinem schon halb-
	        
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