Full text: Der geographische Unterricht

— 91 — 
dem Gedächtmß eingeprägt werden können. Daß das letztere auf diese 
Weise das behandelte Material nicht auf die Dauer festhalten kann, liegt 
auf der Hand. Die Association der Ideen, welche das Aufnehmen, Be- 
halten und das schnelle und sichere Hervorholen des Wissensmateriales aus 
dem Schatze der Innerlichkeit so bedeutend erleichtert, fehlt gänzlich, da eben 
bei einem nicht vergleichenden geographischen Unterrichte die geographischen 
Objecte zerstreut und zusammenhangslos, nicht durch innere Verwandtschaft- 
liche Beziehungen aneinander gereiht, dem Gedächtmß zur Aufnahme dar- 
geboten werden. 
Wie ganz anders macht dagegen der vergleichende geographische Unter- 
richt das behandelte Material zu einem bleibenden Wissensschatze! Er bringt 
Zusammenhang und Orduuug iu die Details, weist uach, wie eins mit dem 
andern zusammenhängt, wie eins aus dem andern nothwendig sich ergiebt, 
und durch diese Association des geographischen Stoffes ermöglicht er nicht 
nur das schnelle und sichere Aufnehmen desselben in's Gedächtmß, sondern 
giebt auch das sicherste Palladium ab gegen ein baldiges Vergessen desselben 
und liefert eine Bürgschaft dafür, daß das Aufgenommene auch iu späterer 
Zeit beliebig mit Schnelligkeit und Sicherheit reprodncirt werden kann.*) 
4) Materialer Nutzen bezüglich des späteren Lebens. 
Noii scholae, secl vitae! — das ist ein alter anerkannter pädagogischer 
Grundsatz. Wenn die philantropistische Schule denselben namentlich betonte 
und behufs seiner Realisirnng vorzugsweise den realistischen Disciplinen Ein- 
gang in den Volksschulunterricht verschaffte, so verlangt man ganz besonders 
auch vom geographischen Unterrichte, daß er für's Leben vorbereite. Wenn 
nun auch schon ein nicht vergleichender geographischer Unterricht die Schüler 
insofern für das spätere Leben vorbereitet, als er ihnen einen Ueberblick ge- 
währt über die verschiedenen Staaten und Völker auf unserem Planeten uud 
sie in den Stand setzt, bei der Lectüre politischer, gewerblicher und anderer 
Zeitschriften und Bücher sich in den verschiedenen Erdräumen zu orientiren 
und die berührten geographischen Verhältnisse aus dem Gröbsten zu ver- 
stehen, so ist doch ein derartiger Nutzen des geographischen Unterrichts für's 
spätere Leben immer nur ein geringer und bei weitem nicht von der Bedeu- 
tung, die ihm ein guter, das vergleichende Moment betonender geographischer 
Unterricht verleihen kann. Während der soeben angeführte Nutzen des 
geographischen Unterrichts immer nur in einer gewissen allgemeinen Bildung 
besteht, wie man sie im gewöhnlichen Leben braucht, so greift die vergleichende 
Erdkunde in fpecielle Berufskreise ein uud erweist sich diesen nützlich. Eine 
rationelle Landwirthschast muß theilweise basiren auf Beachtung der 
Abhängigkeit der Productivität des Bodens von seiner plastischen Gestaltung, 
von seiner materiellen Beschaffenheit, von seiner Bewässerung, von den 
Temperatur- und Strömungsverhältnissen der Atmosphäre u. s. w. Blicken 
wir ferner in's industrielle und commercielle Leben. Bei der An- 
legung künstlicher Handelsstraßen (Eisenbahnen, Chausseen, Kanäle), bei 
1) Es mögen hier noch folgende Worte von S ch o u w ihren Platz finden, 
welche das unter 2. und 3. Gesagte bestätigen: „Ueberhaupt ist es wohl unbe- 
streitbar, daß man diejenigen Gegenstände, welche in Verbindung mit ihren ur- 
sachlichen Beziehungen gelehrt werden, besser behält, als die, welche man ohne 
Erläuterung anführt, und daß eine solche Darstellungsweise geistbildender und 
geistweckender ist, als eine skelettartige Aufführung von Namen und einzelnstehen- 
den Thatsachen." Schouw, Proben einer Erdbeschreibung, 12.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.