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dem Gedächtmß eingeprägt werden können. Daß das letztere auf diese
Weise das behandelte Material nicht auf die Dauer festhalten kann, liegt
auf der Hand. Die Association der Ideen, welche das Aufnehmen, Be-
halten und das schnelle und sichere Hervorholen des Wissensmateriales aus
dem Schatze der Innerlichkeit so bedeutend erleichtert, fehlt gänzlich, da eben
bei einem nicht vergleichenden geographischen Unterrichte die geographischen
Objecte zerstreut und zusammenhangslos, nicht durch innere Verwandtschaft-
liche Beziehungen aneinander gereiht, dem Gedächtmß zur Aufnahme dar-
geboten werden.
Wie ganz anders macht dagegen der vergleichende geographische Unter-
richt das behandelte Material zu einem bleibenden Wissensschatze! Er bringt
Zusammenhang und Orduuug iu die Details, weist uach, wie eins mit dem
andern zusammenhängt, wie eins aus dem andern nothwendig sich ergiebt,
und durch diese Association des geographischen Stoffes ermöglicht er nicht
nur das schnelle und sichere Aufnehmen desselben in's Gedächtmß, sondern
giebt auch das sicherste Palladium ab gegen ein baldiges Vergessen desselben
und liefert eine Bürgschaft dafür, daß das Aufgenommene auch iu späterer
Zeit beliebig mit Schnelligkeit und Sicherheit reprodncirt werden kann.*)
4) Materialer Nutzen bezüglich des späteren Lebens.
Noii scholae, secl vitae! — das ist ein alter anerkannter pädagogischer
Grundsatz. Wenn die philantropistische Schule denselben namentlich betonte
und behufs seiner Realisirnng vorzugsweise den realistischen Disciplinen Ein-
gang in den Volksschulunterricht verschaffte, so verlangt man ganz besonders
auch vom geographischen Unterrichte, daß er für's Leben vorbereite. Wenn
nun auch schon ein nicht vergleichender geographischer Unterricht die Schüler
insofern für das spätere Leben vorbereitet, als er ihnen einen Ueberblick ge-
währt über die verschiedenen Staaten und Völker auf unserem Planeten uud
sie in den Stand setzt, bei der Lectüre politischer, gewerblicher und anderer
Zeitschriften und Bücher sich in den verschiedenen Erdräumen zu orientiren
und die berührten geographischen Verhältnisse aus dem Gröbsten zu ver-
stehen, so ist doch ein derartiger Nutzen des geographischen Unterrichts für's
spätere Leben immer nur ein geringer und bei weitem nicht von der Bedeu-
tung, die ihm ein guter, das vergleichende Moment betonender geographischer
Unterricht verleihen kann. Während der soeben angeführte Nutzen des
geographischen Unterrichts immer nur in einer gewissen allgemeinen Bildung
besteht, wie man sie im gewöhnlichen Leben braucht, so greift die vergleichende
Erdkunde in fpecielle Berufskreise ein uud erweist sich diesen nützlich. Eine
rationelle Landwirthschast muß theilweise basiren auf Beachtung der
Abhängigkeit der Productivität des Bodens von seiner plastischen Gestaltung,
von seiner materiellen Beschaffenheit, von seiner Bewässerung, von den
Temperatur- und Strömungsverhältnissen der Atmosphäre u. s. w. Blicken
wir ferner in's industrielle und commercielle Leben. Bei der An-
legung künstlicher Handelsstraßen (Eisenbahnen, Chausseen, Kanäle), bei
1) Es mögen hier noch folgende Worte von S ch o u w ihren Platz finden,
welche das unter 2. und 3. Gesagte bestätigen: „Ueberhaupt ist es wohl unbe-
streitbar, daß man diejenigen Gegenstände, welche in Verbindung mit ihren ur-
sachlichen Beziehungen gelehrt werden, besser behält, als die, welche man ohne
Erläuterung anführt, und daß eine solche Darstellungsweise geistbildender und
geistweckender ist, als eine skelettartige Aufführung von Namen und einzelnstehen-
den Thatsachen." Schouw, Proben einer Erdbeschreibung, 12.