Full text: Der geographische Unterricht

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Stämme gegen die herrschenden Passatwinde so weit nach Osten vordringen 
konnten, aber bis in die Gegenwart dauern ihre Wanderungen noch sort. Die 
niedrigen Atolle, welche sie bewohnen, werden nämlich früher oder später ein 
Raub der Wellen, und beständig hören wir von Polynesien, die sich wegen 
der Zerstörung ihrer Heimath nach einem andern Asyl einschiffen mußten. Die 
fortdauernden Senkungen scheuchen sie also beständig von ihren Rastplätzen auf; 
nicht Neugierde oder Wanderlust, sondern die bitterste Noth hat sie über die 
See versprengt. Vermuthlich ist in früheren Jahrhunderten die Zahl der Inseln 
viel größer gewesen als gegenwärtig, und manche Insel, die ihnen als Rastplatz 
und Zwischenstation auf ihren Wanderzügen gedient haben mag, ist jetzt uu- 
serm Auge entrückt. 
3. Erdbeben. Die Hebungen und Senkungen einzelner Theile der 
Erdrinde gehen nicht immer ruhig und gleichmäßig und deshalb unmerklich 
vor sich, häufig sind sie mit plötzlichen Erschütterungen, mit Erdstößen ver- 
knüpft. Derartige Erscheinungen sind sehr häufig uud machen sich an vielen 
Punkten der Erde geltend, aber nur feiten steigern sie sich zum wirklichen Erd- 
beben. Die Fortpflanzung des Erdstoßes erfolgt rascher oder langsamer, 
regelmäßiger oder unregelmäßiger, je nach der Art, Festigkeit und Strnetur 
der Gesteine. Ob die Erdbeben auch von den Jahreszeiten und Mondphasen 
abhängig sind, ist noch nicht ausgemacht. Jedenfalls werden sie durch eine 
Art Ebbe und Fluth des feuerflüfsigen Erdinnern hervorgerufen, wenngleich 
man die allgemeine Ursache der meisten Erdbeben in Hohlräumen oder Auf- 
lockerungen der festen Erdrinde wird suchen müssen, welche Verschiebungen, 
Senkungen, Einstürze und dadurch Erschütterungen verursachen. Die Bil- 
dnng solcher Hohlräume in und unter der festen Erdkruste kann ihren Grund 
haben in der allmälig nach Innen fortschreitenden Abkühlung und Zusammen- 
ziehuug des flüssigeu Erdinnern. Aber in nicht vulkanischen Gegenden mögen 
jene unterirdischen Demolirungen vorzugsweise durch die Erosionsthätigkeit 
der unterirdisch circulireuden Gewässer bedingt sein, während in der Nähe 
der thätigeu Vulkane allerdings auch der feuerflüssigen Lava eine Rolle zu- 
geschrieben werden kann, und zwar in der Weise, daß durch das Aufsteigen 
der Lava lokale Abfchmelzuugen stattfinden, worauf beim Zurücksinken der-- 
selben hohle oder mit Dampf erfüllte Räume zurückbleiben, die zu Einstürzen 
Veranlassung geben. 
Der Mensch wiegt sich in falscher Sicherheit, wenn er den Boden, auf 
dem er wandelt, Erdfeste nennt; für ihn find die Erdbeben die furchtbarsten 
irdischen Schrecknisse. Aber furchtbar sind ihre Wirkungen auch für die 
Natur. Hier sind sie oft mit den großartigsten Disloeationen der Erdschichten 
verbunden. Lose Gegenstände werden fortgeschnellt, Gebäude stürzen zu- 
sammeu, Felsmasfeu lösen sich los, im Boden entstehen Risse und Sprünge, 
Spalten öffnen sich, der Boden hebt oder senkt sich, Quellen versiegen, andre 
stärken sich. Wasser, Sand und Schlamm werden ausgeschleudert, so daß 
Ruudlöcher oder Erdtrichter entstehen. (Rosarno in Ealabrien.) Oftmals 
sind mit Erdbeben auch eigentümliche andre Erscheinungen verbunden, wie 
unterirdisches Getöse, das als ein Brausen, Rasseln oder Donnern gehört 
wird, elektrische (Licht-) Erscheinungen in der Atmosphäre, Ausströmungen 
von Dämpfen, Gasen und dgl. Neben anderen vulkanischen Gegenden wer- 
den namentlich Mittel- und Südamerika stark von Erdbeben heimgesucht. 
1) Hoch sietter 1. c. 139 —141,
	        
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