Full text: Lektüre zur Erdkunde

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IV. 
Von Ulm an, wo die Itter einmündet, schütten die Anschwem- 
mungen der Donau immer auch alpinen Sand über das Land hin. So 
betritt man schon den Wirkungskreis der Alpen, wo man bei Eichstätt 
das in den Jura geschnittene Altmühltal verläßt, und alpiner Eisschutt 
liegt auf den südlichen Vorhöhen des Schwarzwaldes und am Nordrand 
des Bodensees. Ein alpiner Hauch breitet sich, dem frischen Talwind 
einer Sommernacht vergleichbar, vom Hochgebirge in die Niederungen 
leise hinaus. Man vergleiche den rauhen, klippigen Donaudurchbruch 
bei Kelheim mit dem des Rheines bei Bingen. Dort sind die Ufer 
wenig bewohnt. Städte und Burgen sieht man nicht. Dafür weht aus 
dem einsamen Altmühltal ein Hauch von rauher Hochebene. Zunächst 
wirken die Alpen durch die eigentümliche Großartigkeit ihres Baues, 
ihrer Gestalt auf Hunderttausende, die aus weitem Umkreise zu ihnen 
aufschauen. Im Panorama von München nimmt die im Süden auf- 
tauchende Alpenkette noch eine hervorragende Stelle ein; man unter- 
scheidet die einzelnen Berge und erkennt vor allem die kühne, malerische 
Gestalt des Wendelsteins, der tief in die bayerische Hochebene hinein 
in Sang und Sage dem Volke vertraut ist. Weiter nördlich, etwa in 
der Landshuter Gegend, ist das Gebirgsbild schon viel blasser geworden. 
Viel weiter werfen die höheren Schweizer Alpen ihr Licht. Vor den 
südlichen Schwarzwaldgipfeln, wie Blauen und Belchen, auch niedereren 
Erhebungen, wie Höhenschwand, ist eins der schönsten Alpenpanoramen 
aufgerollt, das man sehen kann. Von hier aus erscheint die Kette 
zackiger Gipfel hinter dem tiefen Rheintalabschnitt gar nicht sehr weit 
entfernt, und auch von der nördlicheren Höhe kann man die hervor- 
tretenderen Bergformen der Ostschweiz gut erkennen. Der Säntis ist 
den Anwohnern des Bodensees so vertraut wie die Zugspitze denen des 
Isar- und Loisachtales. Der Gegensatz zur fruchtbaren, städtereichen 
Rheinebene mit dem grünsilbernen Band ihres schönen Stromes und 
der Rahmen der ernsten Schwarzwaldberge, die den Vordergrund 
bilden, verleihen diesem Bilde einen hohen Reiz. Schwarzwald und 
Vogesen haben in diesem Fernblick auf die Alpen einen Vorzug, den 
unter allen anderen deutschen Mittelgebirgen nur noch der Bayerische 
Wald mit ihnen teilt. Selbst noch von der Hornisgrinde im nördlichen 
Schwarzwald sieht man unter besonders günstigen Witterungsverhält- 
nissen die Alpen vom Montblanc bis zum Titlis. 
Auch wo man das Hochgebirge nicht mehr mit Augen erblickt, 
erbaut man sich an den Erinnerungen, die man aus ihm ins flache 
Land hinausgenommen, an Bildern und Schilderungen. Es ist sehr 
wichtig in unserer hart arbeitenden Zeit, daß uns die Fahrt von fünf- 
zehn Stunden von den Ufern der Spree an den Rand der Alpen führt. 
Wer in Neuyork wohnt und Hochgebirgsluft atmen will, muß vier volle
	        
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