Full text: Für mittlere Klassen (Theil 2)

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Hauptader — der Donau — die Fülle zufluthen! Senkrechte Abschüsse, 
klaffende Gründe; darüber hoch auf den vorragenden Platten der Pfiff 
der Gemse, die auf der Wacht steht, oder der Schrei des Adlers in 
Lüften; links und rechts das Tosen und Stäuben der wilden Wasser und 
der Donner der Lawinen! Dann der Klang des Alphorns und der 
Kuhglocken, Jodeln und Lied von Senner und Sennin, prächtige Heer- 
den auf den Matten, Alpenrosenschein und Alpenkräuterduft! Und weiter 
hinab das schwellende Obst, die wogende Saat, die sonnenfreundliche 
Traube in voller Ueppigkeit, und das Beste, die Menschen, dazu froh 
und frisch wie die Natur, kernhaft wie sie. 
Die zweite Region ist das mitteldeutsche Berg land (von 2000 
bis 500 Fuß). Es breitet sich von den Enden Luxemburgs bis nach 
jenen Schlesiens, und von der Donau wieder bis zur Weserpforte, bis 
zu den Ausläufen des Harzes und der Sudeten aus. Drei Hauptfor¬ 
men treten hier besonders hervor. Erstens eine wellenförmige Hochebene, 
in welcher sich wieder als Hauptgruppen von Gebirgszügen der schwä¬ 
bische und fränkische Jura, dgun der Gebirgszug vom Schwarzwald, 
Odenwald, Spessart, Vogelsberg äind Rhön mit der hessischen Terrasse, 
endlich der Böhmerwald mit dem bairischen Wald hervorheben — so 
lvie sich ferner drei Terrassen: die schweizerisch-schwäbisch-bairische Hoch¬ 
ebene, die Terrasse von Schwaben und Franken, und endlich jene von 
Böhmen, Mähren und Nordösterreich unterscheiden taffen. Die zweite 
Hauptform des mitteldeutschen Berglandes ist jenes Gebirgssystem, wel¬ 
ches unter dem Namen des hereynischen begriffen, sich als Mittelpunkt 
Deutschlands darstellt, von welchem aus vier Ströme, Weser, Ems, 
Elbe und Oder nach Mitternacht, die Nebenflüsse des Rheins nach 
Abend, die der Donau nach Mittag abfließen, so daß dieser Mittel¬ 
punkt auch eine natürliche Scheidung Deutschlands in eine nördliche und 
südliche Hälfte bemerken läßt. Die Hauptglieder in dieser großen Kette 
find die Sudeten, das sächsische Bergland, das Fichtelgebirge, das Thü¬ 
ringer Gebirge, der Harz und das Wesergebirge. Die dritte Hauptform 
des mitteldeutschen Berglandes ist endlich das niederrheinische Schiefer- 
gebirge, auf dessen östlicher Hälfte sich wieder die Gruppen des Taunus, 
des Westerwaldes und des sauerländischen Gebirges, wie auf der west¬ 
lichen des Pfälzer Berglandes, des Hundsrücks, der Eifel, der hohen 
Veen und der Ardennen hervorheben. — Auch in dieser Region herrscht 
ungemeine Mannigfaltigkeit; aber es ist nicht bloß das Interesse an den 
größten und schroffsten Gegensätzen, wie im Alpenland, was hier fesselt, 
als vielmehr das an der Lieblichkeit so vieler hundertfacher, in sich abge¬ 
schlossener Landschaften,1in deren jeder auch die Menschen ihre eigenthüm¬ 
lichen Besonderheiten auf's Entschiedenste ausprägten. Da entfalten sich 
die anmuthigen Thäler der sächsischen Schweiz; da zieht die Bergstraße 
ihre sanften Wetten und lockt zu den zauberisch schönen Seitenthälern 
hinein; da tritt die Schönheitslinie des Taunus aus Hellem Horizont 
hervor. Da öffnet sich die prächtige Rebengasse des Rheins mit jenen 
sonnigen Seitengaffen des Neckars, des Mains und der Mosel; da 
tönen Schalmei und Heerdengeläut auf den lichten, grünen Weideplätzen 
iin Thüringer Wald. Wie ihr aus engern, tiefdunkelgrünen Tannen-, 
Buchen- und Eichenthälern tretet, liegen die Kornfelder in gottgesegneter 
Fülle vor euch ausaethan; horcht ihr in die Schluchten hinein, so hört 
ihr den Takt des Gewerbfleißes; und blickt ihr aus die Hellen Fäden der
	        
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