Full text: Der kleine Kinderfreund

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Spatz. Ich bin wohl ein gemeiner Wicht, das Singen 
gar versteh' ich nicht, in schönen Kleidern geh"*ich nicht; es 
sieht mich auch kein Mensch nicht an, nur böse Buben dann 
und wann, die werfen mich mit Steinen; und dennoch will 
mirs scheinen, als sei so schön die ganze Welt, so blau die 
Luft, so grün das Feld! — Piep, piep, piep, ich habe die 
Welt so lieb! 
Fink. Komm zu mir, lieber Sonnenschein, in meinen 
grünen Baum herein! Ich lasse gern die ganze Welt, weil 
mir's hier gar zu wohl gefällt; den lieben langen Tag nichts 
thun, als so im Sonnenscheine ruhn, das Haus gebaut, gedeckt 
der Tisch, dabei gesungen hell und frisch; — zink, zink, 
zink, ich bin der lustige Fink! 
12?. Der Abend im Mai. 
Es wird Abend. Die Sonne steht tief unten und will 
untergehen. Der Abendhimmel hüllt sich in sein flammendes 
Rot; die Wolken sind bis hoch hinauf umsäumt. Die Hitze des 
Tages ist vergangen; eine kühle Abendluft weht aus dem Walde 
herüber. Über dem Wasser und den Wiesen lagern dichte Nebel, 
und der Abendduft feuchtet die Pflanzen. Die Tiere kehren zur 
Nachtruhe ein; die Vögel zwitschern ein leises Abendlied; die 
Mücken tanzen in großen Schwärmen auf und nieder. Fleder¬ 
mäuse und Käuzlein huschen heimlich vorüber; die Frösche machen 
eine laute Musik dazu; endlich funkeln die Sternlein in den 
großen Wundersaal der Natur herab. 
Auch bei den Menschen ist der Abend eingekehrt. Die Herden 
sind von der Weide zurück und in die Ställe gebracht; das Vieh 
hat sein Futter erhalten und überläßt sich der Ruhe. Der Mensch 
hat sein Tagewerk fleißig vollbracht, sich durch das Abendbrot 
gestärkt und ruht nun aus von seiner Arbeit. Ihn erfreut der 
stille Abend mit seinen neuen Wundern, und seine Gedanken rich¬ 
ten sich in Dank und Anbetung hinauf zu dem allmächtigen Gott. 
LT8. Früliliiigsabend. 
Was kann schöner sein, was kann mehr erfreu'n, als ein 
Abend in dem Lenzen, wenn der Blümlein Duft rings er¬ 
füllt die Luft und die Abendwolken glänzen; wenn die Vög- 
lein brütend girren und am See die Mücken schwirren; wenn 
die Bienelein mit dem Ilonigseimsüß beschwert nachHause irren! 
Dann geht man hinaus, läßt zurück das Haus, setzt sich 
auf den weichen Rasen, hört den süßen Schall von der Hach-
	        
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