Full text: Geographische Charakterbilder aus Deutschland (Alpenland, Deutsches Reich und Deutsch-Österreich) (Teil 1)

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Das norddeutsche Tiefland. 
und Mich überreichen Dialekte, der jedes G in I verwandelt, aus- 
gedrückt finden kann, ein unduldsamer Stolz auf Berlin und seine 
Herrlichkeit ist dem Berliner eigentümlich. So lange jene Herrlichkeit 
von jedermann anerkannt und zugestanden wird, hat er selbst viel an 
heimischen Zuständen auszusetzen, wird aber Feuer und Flamme, 
wenn ein Fremder Berlin zu tadeln wagt. Reisende Berliner ge- 
wohnlichen Schlages pflegen überall etwas hoch und anmaßlich auf- 
zutreten uud verderbeu bei den Süddeutschen, den Preußen und Nord- 
deutschen ihr Renommee. Übrigens haben die Berliner die köstliche 
Gabe, sich und ihre Schwächen selbst zu ironisieren und das Berliner- 
tum zum Objekt ihres Witzes zu macheu. Mau braucht bloß ihre 
Lokalpossen mit den allerliebsten Konplets vor sich vorübergehen zu 
lassen, um von jener schätzbaren Eigenschaft den vergnüglichsten Ein- 
druck zu gewinnen. „Die Berliner taugen nichts", war ein Lieblings- 
sprnch des alten Fritz. Acht berlinisch aber auch die Antwort des 
um eine Pfarre petitionierenden Kandidaten: „Zwei ausgenommen: 
Ew. Majestät und ich". 
Berlin ist nicht allein das Centrum der Administrativ::, 
des Deutschen Reiches uud des Königreich Prenßens, der Sitz aller 
hohen Behörden, sondern überdem nach drei Seiten hin bedeutsam » 
ausgezeichnet. Die Universität, die polytechnische Hochschule, viele 
höhere und niedere Schnlanstalten, die Akademie, die gelehrten Gesell- 
schaften, die Schätze an Handschriften, Büchern und Kunstschöpfuugeu 
machen die Stadt zu einem Hanptsitze deutscher Wissenschaft. 
Wie Berliu unter Friedrich dem Großen ein Vereinigungspnnkt schrift- 
stellerischer Größen Frankreichs war, so ist es in neuer Zeit zu wieder- 
holten Malen der Sammelplatz der ersten deutschen wissenschaftlichen 
Celebritäten gewesen. Es ist ferner eine überaus wichtige Fabrik- 
stadt, endlich die erste Handelsstadt im Gebiete des Zollvereins, 
die selbst von Hamburg uicht übertroffen wird. 
Noch müssen wir einen Blick auf die Umgebungen Berlins 
werfen. Wir beginnen mit dem 32 ha großen Friedrich sh ain, 
der auf hügeligem Terrain vor dem Landsberger Thore 1840 ange- 
legt, den zu weit vom Tiergarten entfernten Bewohner der Nordstadt 
entschädigen und eine große Parkanlage für das Volk sein sollte. Vor 
dem Neuen Thore liegt das Jnvalidenhans, auf 600 Mann 
berechnet, mit der schönen Inschrift: Laeso et invicto militi („Dem 
verwundeten, doch unbesiegten Soldaten"). Auf dem Jnvalidenkirch- 
Hofe ist das Grabmal Scharnhorsts nebst dem vieler anderer nam- 
hafter Generale. Am rechten Spreeufer, 2 km von Berlin, liegt
	        
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