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Ost-Europa.
biederen Deutschen aus Körösmezö, der mit seiner Nichte hier haust.
Bei ihni wird uns ein freundliches Nachtquartier, und wir können
uns sorglos der Ruhe überlassen, während sich draußen der schweigende
Wald in dem von Mondschein begossenen grünen See spiegelt. Am
Morgen wird die Klause geöffnet, und was bleibt dann von dem
herrlichen See übrig? Kaum die Hälfte seines Wassers, an manchen
Stellen schaut gar sein schlammiger Grund hervor.
Am frühen Morgen führt uns der Klaufeuwärter in die Berge,
deren Ruhe uur von der Axt des Holzschlägers oder der Büchse des
Jägers unterbrochen wird. Hier wandelt der Bär noch ungestört
durch den Schnee, trägt der Hirsch noch stolz sein Geweih durch den
endlosen Wald und schaut der Adler auf sein weites Gebiet mit scharfem
Auge herab. Und weiter stößt man auf das Haselhuhn, den Auer-
Hahn und das Birkhuhn. Fort geht es durch den dunkeln, duftenden,
von der Morgenkühle erfrischten Wald. Eine Alphütte wird passiert,
bei welcher die Pferde uud Kühe unbehütet weiden; nach einiger Zeit
kommen wir an einer verlassenen Klause vorbei. Sie ist klein, da
das Thal sehr eng ist uud die Quelle des Flusses ungleich näher;
nachdem man die untere erbaut, hat mau die obere verlassen. Wie
seltsam berührt ein verlassenes Menschenwerk in der Wildnis! Es
stimmt melancholisch, denn es lehrt den Wanderer, daß hier der
Mensch weichen mußte, weil er die Größe und Rauheit der Natur
uicht ertragen konnte. Die Theiß aber plätschert ruhig weiter, sie ist
längst zum Bach geworden und verrät durch nichts ihre künftige Größe.
So geht es weiter und immer weiter in den schweigenden Wald.
Jetzt sind wir am Fuße eiues Berges angelaugt und reiten denselben
steil bergan, so daß wir mehrere Berge neben und hintereinander be-
trachten können: allein sie sind meist von Wolken umfangen. Es sind
Nebelbilder, unfreundliche Träume der Natur. Der Umriß der Berge
wird immer unbestimmter, uur einige Schneefelder winken noch her-
über.
Der letzte Teil des Weges, der Aufritt zur Okola, ist für unsere
Pferde etwas beschwerlich, da das Schneewasser des Winters mancher-
lei Verheerungen angerichtet hat. Der schöne Wald erscheint heute in
weiß und grünem Kleide. Die Tannenbäume glänzen, von weißen
Krystallen bedeckt, das Moos flimmert und nur stellenweise mahnen
die frisch hervorschauenden Tannenzweige daran, daß die Schneeperiode
eigentlich doch vorüber. Winterlandschaft Ende Mai! Und dabei
erzählt uns unser Begleiter, daß die Deutschen von Körösmezö, gemäß