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Süd - Europa.
Nervion entlang, zwischen sich und dem Flusse eine mit hohen Ulmen,
Platanen und Kastanien bepflanzte Alameda lassend, den Lieblings-
spaziergang der Bewohner von Bilbao. Die Straßen der Stadt sind
eng, aber sauber und gut gepflastert; die Häuser aus Stein, fünf
bis sechs Stock hoch. Über gar vielen Thoren sieht man ein großes
Wappen, den Adel seines Besitzers anzeigend; freilich betrachten sich
alle Basken schon bloß ihm* Nationalität wegen als adlig.
Die baskische Nationalität erkennt man an den roten und blanen
Baretten der Männer; die Frauen zeichnen sich durch lang herabhängende
Zöpfe aus. Männer und Frauen sind hübsch gewachsen und habeu kleine
Hände und Füße. Die Frauen greifen übrigens überall tüchtig mit an.
Interessant war das Treiben auf der Alameda am Abend.
Zwar das gebildete Publikum ging hübsch sittsam auf der einen Seite
des Wegs hinunter bis zu einem gewissen Punkte, und auf der andern
Seite wieder herauf; aber die Basken sammelten sich um die Musik-
tribüue, uud wenn die Musik spielte, tanzten sie flott.
Am nächsten Nachmittag wandten wir Bilbao wieder den Rücken,
indes nur zu einer kurzen Fahrt nach Orduna. Dort befindet sich
ein ueuerfundenes Bad, wie sie eben im Baskenlande zn Hunderten
auftauchen, Sommerfrischen für die Kastilianer; überall waren Plakate
mit Reklamen angeschlagen, und ich hatte Lust, mir auch einmal ein
solches Etablissement anzusehen.
Orduna bietet im Innern nicht viel Interessantes; nur die
Plaza, von der sternförmig zehn enge Straßen auslaufen, ist äußerst
pittoresk. Bon den Arkaden, welche sie umgeben, zeigen die auf zwei
Seiten, au der Kirche und an einem nun als Kaserne dienenden
Kloster, offenbar die ältesten, wirklich schöne Verhältnisse. Die Kirche
hat, wie viele im Baskenlande, keinen Turm, sondern die Fa^ade ist
über das Schiff hinausgebaut, und die Glocken hängen in Schalllöchern.
Sie bildete einst einen Centralpunkt des Baskenlandes; hier leisteten die
alten Iberer den Römern uud Goten und ihre Nachkommen den Mauren
tapferen Widerstand. Orduna war damals eine der wenigen Städte im
Baskenlande und gilt für älter als das uralte Jbaizabel, wie die Basken
Bilbao nennen.
Die wenigen Tage, die wir in Orduna verbringen konnten,
reichten natürlich nicht aus, um das Baskenvolk kennen zu lernen,
das für den Fremden ohnehin unzugänglich genug ist. Daß Spanier
und Baske keine guten Freunde sind, konnte ich freilich sehen. Es
war auch kein guter Tag, als die liberale spanische Regierung be-
schloß, die heilige Eiche von Guernica, unter der seit Urzeiten die