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Süd-Europa.
Schon am frühen Morgen begaben wir uns nach dem Peters-
platze, den die gewaltigen Arkaden vor der Peterskirche einfassen.
Aber welch ein Leben herrschte hier schon in der Nähe des Vatikans und
der Peterskirche! Die ambulanten Limonadenverkäufer waren im ge-
schäftigsteu Hin- und Herlaufen. Die Kutscher knallten lustig mit der
Peitsche drauf los, um die Fremden zu einer Fahrt aufzufordern.
Die Via Orsa, Papale, Giulia della Luugara waren, kaum
daß die neunte Stunde geschlagen, dermaßen mit Fußgängern über-
füllt, daß man sich nur mit dem Ellenbogen Platz und Durchgang
verschaffen konnte.
Was das Auge da nicht alles erschaute! Überreich vergoldete
Kardiualkutscheu, die glänzendsten Aufzüge der päpstlichen Armee, in
allen möglichen Uniformen und Farben, allerlei mögliche und
unmögliche Gestalten, meist Fremde: Engländerinnen, Russinnen,
Deutsche, Französinnen, deren Anzüge erheblich gegen die Volkstracht
der aus der Umgegend Roms herbeigeströmten Campagnolen abstachen.
Vorhistorische Fracks, die sich ehrsame, echt päpstlich gesinnte Krämer
oder Kanzlisten hervorgesucht hatten, um della figura zu machen,
daneben die reich gallonierteu Diener der römischen Aristokratie, kurz
die Straßen, welche zum Vatikan und zur Basilika führten, waren
ein wirres Durcheinander von allen möglichen Gestalten, belebt von
den wie Raketen in die Luft fliegenden Witzen der buoni romani.
Punkt 10 Uhr mußte das heilige Kollegium der Kardiuäle, die
Gesandten, die Fürstlichkeiten und Erzbischöfe, der ganze Schwärm
der päpstlichen Hof- nnd Rangliste sich auf seinem Ehrenplatz be-
finden. Dieser Platz befand sich in den zu beiden Seiten des päpst-
lichen Thrones errichteten Tribünen unter der Kuppel der Peterskirche.
Einige Minuten nach 10 Uhr erschien der Papst auf dem von
päpstlichen Familiären gehobenen Tragsessel in reichster Pracht an-
gethan, strotzend von Gold und Edelstein uud huldvollst im Vorüber-
tragen rechts und links seinen Segen erteilend. Er war von einem
großen Zuge hoher, kirchlicher Würdenträger aus seiner nächsten Um-
gebung, von Ehren- und Schweizergarden und zur Seite von Fächer-
trägern begleitet. Ihm voran gingen die Kardinäle, Bischöfe und
andern Geistlichen, alle mit brennenden Wachskerzen versehen.
Es war ein überwältigender, unbeschreiblicher Anblick, das Mittel¬
schiff der Kirche mit all dem blendenden Pomp zu überblicken.
Das gedämpfte Licht, welches von den hohen, prächtigen Kirchen-
fenstern auf der Südseite auf diese Sceue fiel, spiegelte sich in tausend