Full text: Geographische Charakterbilder aus Europa (Teil 2)

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Nord-Europa. 
schwebte noch immer über den Gipfeln der Lofoten, als ich mich zu 
später Stunde zurückzog. Wir befanden uns in der Mitte des großen 
Vest-Fjord, vou den Seefahrern als der schrecklichste Strudel des 
Oceans gefürchtet, besonders der Gefahren wegen, mit welchen der 
Malström droht, wenn der Sturm aus Südwest losbricht. Er be- 
fand sich jetzt in gerade entgegengesetzter Richtung von uns. Die 
Wärme, Ruhe und Stille von allem, was uns umgab, eriuuerte an 
die nördlichen Teile Islands, die jedoch mehr als einen Grad süd- 
licher liegen. Ohne Zweifel gewährt alles je nach der Beschaffenheit 
des Wetters einen veränderten Anblick. Nichts überraschte mich mehr, 
als der fast gänzliche Mangel der Nebel, welche so oft die großartigen 
Formen der Hebriden, noch mehr aber der Orkneys- und Shetlands- 
Inseln verhüllen. Unter anderen Verhältnissen, sind die Berggipfel 
von Nebel nmschleiert und erhebt die See ihre Wogen rollend und 
grollend, so ist eine Reise nach den Lofoten keineswegs zu den ange- 
nehmen zu zählen. 
Um die Interessen der Bewohner zu heben, macht das Dampf- 
boot regelmäßig seine Fahrt zwischen zwei der bedeutendsten Inseln 
der Gruppe, Hindö uud Vaagö hindurch, um bei einem Orte, Namens 
Steljo, auf der entlegenen Insel Ulvö anznlanfen, welche sich gleichsam 
ans der Außen- oder Seeseite der Lofoten befindet und als eiuer der 
entlegensten Orte auf der ganzen Welt anzusehen ist. Dann kehrt es 
auf demselben Wege nach dem Vest-Fjord zurück und setzt seine Reise 
nach Norden fort. Der bedeutende Umweg entschädigt den Reisenden 
durch eiueu näheren Einblick in die Scenerie und Bildung dieser 
Staunen erregenden Inseln. Die Lofoten liegen, mit Ausnahme weniger 
unbedeutender Jnfelchen am äußersten Ende, in einer Reihe, so dicht 
in- uud aneinander geschoben, daß sie sich nach jeder Richtung hin 
dem Blicke als eiue gauze uud ununterbrochene Erhebung des Landes 
darbieten. Sie werden in der That nicht ganz mit Unrecht mit den 
Gliedern eines Tieres verglichen, dessen Schwanz die Insel Röst bildet. 
Kahl, verworren, voll Klippen, stehen sie so dicht, daß sie überall dem 
Eindringen widerstehen. Gerade auf die Schrecken erregende Wand 
los nahm unser kleiner Dampfer sicher seinen Lauf in einen Kanal 
zwischen den beiden bereits genannten großen Inseln, der nnbemerkbar 
blieb, bis wir in ihn hineinfuhren. Dieser merkwürdige Kanal wird 
der Rafte-Sund genannt. Er ist vielfach gekrümmt, überall schmal, 
jedoch mit bedeutender Tiefe des Fahrwassers, von welchem sich das 
Land steil, selbst gauz schross zu beiden Seiten, besonders aber auf der 
westlichen erhebt. Die höchsten Punkte der Lofoten befinden sich ans
	        
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