Der Spreewald.
Wenige Stunden genügen, um uns aus dem geräuschvollen
Treiben der deutschen Kaiserstadt in eine völlig andere Welt zu
führen, in den friedsam stillen, wunderbar anmutenden Spreewald.
Er ist eine eigenartige, schier unvergleichliche Landschaft. Die
Talweitung ist von einem dichten Netze einzelner Flußarme durch¬
zogen, die das ganze Land durchfeuchten und in eine sehr be¬
trächtliche Anzahl von Inseln zerteilen. Selbst die grenzenden
Linien, die des Landmannes Eigentum scheiden, werden nicht von
Rainen oder Heckenzäunen gebildet, sondern von schmalen Wasser¬
läufen: teils natürlichen, teils künstlichen Verästelungen der Spree.
Diese zahlreichen Rinnen begleiten an beiden Seiten schlanke,
hochstämmige Erlen, die oft zu zweien, dreien einem einzigen
Wurzelstocke entspringen und sich hoch oben zu einem immer be¬
wegten Gewölbe zusammenneigen. Zwischen den ragenden Stämmen,
die sich mit wunderbarer Deutlichkeit in dem dunklen Wasser
wiederspiegeln, liegen die zum größten Teile aus braunem Holzwerk
gezimmerten Häuser und Scheunen (Blockhäuser) mit nieder¬
gehendem Stroh- oder Schilfdach, die meisten auf einer Insel für
sich, und den Boden deckt ein üppiger, blumendurchwirkter Teppich
von Gras, Kräutern und Büschen; am Rande aber blühen Wasserlilien.
Kein Fußtritt, kein Wagengerassel stört die tiefe Stille.
Nicht einmal das Wasser gibt einen Laut von sich; denn die der
Wasserfahrt dienenden Boote werden nicht mit Rudern, sondern
mit einer Stange vorwärts geschoben und gelenkt. Nur Scharen
melodischer Vögel, Amseln, Fink und Nachtigallen schmettern in
der Kühle des feuchten Laubes ihre lieblichen Töne, und der
Kuckuck zählt — nach wendischem Volksglauben — dem Wanderer
seine Lebensjahre zu. —
Vergegenwärtigen wir uns zunächst in wenigen Worten die
Entstehung des Spreewaldes. Von den alten Hochgewässern, die