Die Leipziger Schlacht. § 672. 427
§ 672. Napoleon hatte am 18. Oktober, dem entscheidenden Tage
der Völkerschlacht bei Leipzig, noch über 160 000 Mann gegen einen
Feind, der jetzt mehr als 250000 Mann stark war. Schon am Abend vorher,
als die Antwort aus dem Lager Österreichs ausblieb, hatte er die ersten leisen
Anordnungen zum Rückzüge getroffen. Aber Verblendung oder Trotz ge-
stattete dem eisernen Manne nicht, rechtzeitig zu weichen. Indes hatte er
seine Streitmacht näher an Leipzig herangezogen. Seine Stellung ging
jetzt von der Pleiße auf Probstheyda, das in der Spitze des von seinen
Truppen hier gebildeten Winkels lag, und im Bogen von da an das Nord-
ende von Leipzig zurück. Gegen ihn drangen nun die Verbündeten von
allen Seiten an: ununterbrochen rollte seit dem frühen Morgen der Donner
der schweren Geschütze. Wie einst auf den Katalaunischen Gefilden (§ 32)
standen sich gewaltige Völkerscharen zum furchtbaren Entscheidungskampfe
gegenüber. Während längs der Pleiße abermals ein österreichisches Armee-
korps unter dem Prinzen von Hessen-Homburg ohne besondere Erfolge gegen
Poniatowski andrang, wütete der Hauptkampf weiter rechts um Probstheyda
und Liebertwolkwitz. Österreicher, Russen und Preußen, an Tapferkeit unter sich
wie mit dem gleichfalls heldenmütig ringenden Feinde wetteifernd, stürmten hier
unter den Augen der Herrscher, geführt von den Generalen Barclay, Kleist und
Wittgenstein, gegen die Spitze von Napoleons Stellung, der selbst von einer
nahen Anhöhe aus, der oft dicht bei ihm einschlagenden Geschosse nicht achtend,
die Schlacht leitete. Bei dem wiederholten Vordringen und Zurückweichen
häuften sich die Leichen zu Wällen auf. Brach die große Armee hier durch,
so war Napoleon verloren; aber eben deshalb kämpften seine Garden
der schönsten Tage ihres Ruhmes würdig, und Probstheyda ward von ihnen
behauptet. " Inzwischen drang etwa seit Mittag Bennigsen über die Dörser
Holzhausen, Zuckelhausen und Baalsdorf gegen Leipzig vor. Noch etwas
später kamen Teile der Nordarmee unter Bülow über Taucha und Pauns-
dorf heran. In diesem Augenblicke ging ein Teil der sächsischen Artillerie
und Infanterie (etwa 3500 Mann) aus der Schlachtlinie des Feindes zu
den Österreichern über: von Napoleon mit schlechtem Dank für ihren
Kampf unter seinen Fahnen belohnt (§ 664), suchten sie nun ihre
deutschen Brüder auf, um sich mit ihnen zu vereinen. Etwa 600 Württem¬
berger unter Normann waren schon etwas früher übergetreten. Verna-
dotte, der von Norden her eingreifen sollte, hatte nicht bloß selbst
so lange wie möglich gezögert, sondern sogar preußische und russische
Generale zurückzuhalten versucht. Von den Verbündeten endlich aufs
ernsteste gedrängt, erklärte er, nicht vorgehen zu können, wenn ihm
nicht von der schleichen Armee 30 000 Mann abgegeben würden. Und
nun gab Blücher ein Beispiel schöner Entsagung: er, der älteste und sieg-
reichste General der verbündeten Armee, verzichtete, um die große allgemeine
Sache zu fördern, auf die Aussicht, selbst die Entscheidung herbeizuführen.
Um dem schwedischen Kronprinzen auch den letzten Vorwand für sein Zögern
zu nehmen, trat er ihm das geforderte Korps ab, ließ es aber, um das
rechtzeitige Eingreifen zu sichern, nicht auf dem Umwege über die Brücke
von Taucha, wie der Kronprinz vorgeschrieben hatte, sondern quer durch
die Parthe auf den Feind losgehen, obschon das Fußvolk dabei bis an den
Gürtel ins Wasser sank. Marmont in Schönfeld hatte diesen Angriff ab-
zuwehren. Hier wie in den brennenden Dörfern rechts und links wütete
der fürchterlichste Kampf bis zum Abend. Zur Seite Blüchers rückte Bülow
von Paunsdorf her vor, und hier im Nordosten kam man bis dicht an