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gedanke seiner Regierung. Sodann folgten einzelne Verwaltungs-
ma.rimen. Zunächst ein Kardinalsatz des Merkantilsystems, das
drüben in Frankreich von Colbert begründet, inzwischen aber wieder
verlassen worden war, um nunmehr in Preußen erst recht praktisch
durchgeführt zu werden: „Wenn das Land gut peuplieret ist, das
ist der rechte Reichtum." Im weiteren entwickelte er ebenfalls als
Anwalt des Merkantilismus die Vorzüge einer Gewerbepolitik.
„Ergo Manufakluren im Lande ein recht Bergwerk geheißen wer¬
den kann." „Ein Land sonder Manufakturen ist ein menschlicher
Körper sonder Leben." Offen räumte er dem Sohne ein, daß
ihm die Iustizorganisation nicht geglückt sei, und bezeichnete schon
damals Cocceji als zum Präsidenten geeignet. Mit gerechtem Stolze
rief er aus: „Ist gewiß ein recht Meisterstück, daß in neun Jahren
ich die Affairen, alles wieder in so gute Ordnung und Verfassung
gebracht." . Zu anderen Zeiten hatte er wohl auch Stunden des
Kleinmuts, und es wollte ihm so scheinen, als wenn er seine ganze
Zeit nutzlos verloren hätte. So schrieb er am 14. Juli 1727 dem
Dessauer: „daß es mir so nahe gehet, in die 14 Jahre nichts ge¬
macht zu haben, und alle meine Mühe, Sorge, Fleiß und Geld
alles umsonst ist . . . Wenn die vierzehn Jahr wieder zurück hätte!
u In bonv6 tieuro! aber diese sein fort, ohne etwas zu tun."
Diese kleinmütigen Stimmungen sind im wesentlichen auf
Rechnung seiner Mißerfolge in der auswärtigen Politik zu setzen.
Denn diese bildet die Kehrseite der sonst so ruhmvollen Regierung
Friedrich Wilhelms. Sein Kindergemüt, sein gerader offener Sinn
und seine puritanische Frömmigkeit paßten schlecht zu der ver¬
logenen schuftigen Welt, die ihn umgab, und da ihm nicht durch¬
aus die Gabe verliehen war, einen Standpunkt über diesen Dingen
zu gewinnen, so konnte es nicht ausbleiben, daß er ihnen unterlag
und oft ein Spielball in den Händen der ihm entgegenstehenden
Elemente und ihrer Werkzeuge wurde.
Hermann von Petersdorsf.
105. Friedrichs II. Regierungsanfang.
Inmitten der Fäulnis und Verwesung, die sich in dem
Jahrhundert nach dem Dreißigjährigen Kriege in den Zuständen
des Reichs kundgab, hatte der junge Staat der Hohenzollern seinen
eigentümlichen, selbständigen Entwicklungsgang genommen und all-