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mit geräumigen und eleganten Hotels, mit dem Leben und Treiben einer
Großstadt.
Athen erinnert in seiner Anlage und mit den zahlreichen Gärten vor
den Häusern oft an die kleinen deutschen Städte; das Leben und Treiben
aber ist ein gründlich anderes. Die ruhige Behäbigkeit, das selbstzufriedene
Dahinleben fehlt gänzlich; Lebhaftigkeit in Sprache und Geberde, Anteil¬
nahme an allem, was in der Welt vorgeht, treten an deren Stelle, und
die Kaffeehäuser, die in Athen so zahlreich sind, wie bei uns die Bier¬
häuser, werden den ganzen Tag nicht leer von Gästen, die bei einer
Tasse schwarzen Kaffee, einem Gläschen Mastik-Schnaps oder einem Glyko
— eingemachte Fruchtsäfte — ihre Geschäfts- oder Familien-Angelegen-
heiten besprechen, oder über die Politik ihre Meinung austauschen.
Das Klima bringt es mit sich, daß der ganze Verkehr, selbst zu
einer Zeit, die man dort Winter nennt, sich meist im Freien abspielt.
Die Wechsler haben auf offener Straße ihre Tiscke aufgeschlagen, die
Flickschuster üben im Schatten hoch von der Akropolis überragter Gemäuer
ihr Handwerk aus, die Fleischer verkaufen dort ihre viel begehrte Ware,
herumziehende Händler lassen die bald scharf gellenden, bald wie im
Schmerze gedehnten Rufe ertönen, mit denen sie die auf den eigenen oder
auf den Rücken eines Eseleins geladenen Bedürfnisse des griech. Haus¬
haltes von Thür zu Thür anbieten. Eine buntfarbige, lebhaft bewegte
Menge füllt die Straßen und Plätze. Namentlich die schmale Hermes¬
straße, die Hauptverkehrsader Athens, ist immer überfüllt. Elegante
Damen in geschmackvollen Toiletten; lebhafte, drollige kleine Kerle, die
tagsüber mit dem Rufe: „Lustro!" (ich mache glänzend) die Spazier¬
gänger einladen, sich den klassischen Staub von den Schuhen nehmen zu
lassen und abends gesittet und fleißig in die eigens für sie gegründete
Schule gehen, distinguierte Männer, Kleinbürger, die nach der Sitte des
ganzen Orients mit einer rosenkranzähnlichen Perlenschnur spielen; schmucke
Soldaten, alles und alle sieht man hier, und eine Stunde in der Hermes¬
straße zugebracht, ist für den Fremden stets überaus lehrreich. Nur eine
Gestalt fehlt auch dort: die Frau aus dem Volke. Es ist ein eigentüm¬
licher Zug des griechischen Volkslebens, der sich aus der langen Knecht¬
schaft erklärt, während welcher, schon um Beschimpfungen, Mißhandlungen
zu vermeiden, in dieser Beziehung die Sitte der Unterwerfer angenommen
werden mußte; die Frau aus dem Volke geht überhaupt selten aus, am
allerwenigsten ohne ihren Galten.
e) Gartenanlagen.
Um das Königl. Schloß und hinter demselben breitet sich der Garten
der Königin aus, in welchem sich eine tropische Vegetation entfaltet.
Aus der Mitte erheben schlanke Palmen ihre fächerförmigen Kronen.
Rings herum entzückt das dunkle Grün aller nordischen und südlichen
Laub- und Nadelbäume, bis zur Pinie und Cypresse, dazwischen das
glänzende Laub der Gold-Orangen und des Lorbeers, der Myrte, der
Granate mit dunkelrot glühenden Blüten und die breiten Oleanderbäume.
ck) Die Bewohner.
Nahrung. Athens Bevölkerung zählt gegenwärtig über 100 000
Köpfe. Der Grieche zeichnet sich durch außerordentliche Genügsamkeit