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Felsenfront des Eiger (etwas zurück). Die breite Einsenkung zwischen
Mönch und der im Silbergewand leuchtenden majestätischen Jungfrau ist
das Iungfraujoch. Die zwischen Aletsch- und Dreieckshorn sich aus¬
breitende Firnmulde speist den weniger umfangreichen mittleren Aletsch¬
gletscher, der sich an dem Ende des von dem Dreieckshorn (in der
Richtung zum Mergelensee) ausgehenden scharfen Grats mit dem großen
vereinigt. Vom mittleren Aletschgletscher nach links sind im Bilde zwei
schmale Streifen von Gletschereis sichtbar: es ist der durch den Geisgrat
geteilte Triest-Gletscher, der nach W. (im Bilde links vom Gletscher)
von den Fußhörnern begrenzt wird. Zwischen diesem scharfen Felsgrat
und den Sparrhörnern senkt sich der „obere Aletsch-" oder „Jägi-
Gletscher", dessen Furche neben dem Grat der Fußhörner im Bilde
angedeutet ist, zum Hauptthal herab.
3. Die Bildung des Gletschereises.
Alles, was im Sommer von den Höhen der Schneeregion und ein¬
geschaltet in die Gebirgsrinnen weiß ins Thal herableuchtet, nennt der
deutsche Schweizerbauer summarisch „Gletscher", der Tyroler „Ferner",
der Walliser und Savoyarde „Glacier". Er macht keinen Unterschied
zwischen Schnee und Eis; ihm ist beides ziemlich identisch. Anders ist es
in der Wissenschaft; sie unterscheidet nach dem Material, seiner Dichte und
Höhenlage dem lockeren Hochgebirgsschnee über 3000 m Höhe von
dem tiefer vorkommenden körnigen älteren Firnschnee, und diesen wieder
von dem eigentlichen durchsichtigen, kompakten Gletschereis. Letzteres
entsteht aus ersterem durch eine Menge unvermerkt vor sich gehender
Umwandlungen dieser krystallinischen Wasserformen. Es repräsentiert somit
der feine Hochgebirgsschnee in den höchsten Regionen gleichsam die
Periode der Kindheit. Durch eigene Schwere und durch den Druck
der dahinter liegenden Massen gleitet er langsam tiefer und wird nach und
nach durch Wärmeeinwirkung inniger zu körnigen Konglomeraten verbunden;
er tritt ins Jünglingsalter des Firns über. Abermals zwischen
den Felsengassen tiefer geschoben und somit in immer wärmere Regionen
hinabwandernd, geht er weiteren, neuen Umgestaltungsphasen entgegen,
schluckt niederfallenden Regen auf, bindet diesen durch die innewohnende
Kälte ebenfalls zu Krystallen und verdichtet sich endlich zu porösem Eis;
er tritt ins Mannesalter über und wird das Material des G l e t s ch e r s.
4. Oberfläche der Gletscher.
Wie ganz anders, als man sich denkt, ist die ziemlich ebene Ober¬
fläche des Gletschers gestaltet. Sie ist von tausend und abermals tausend
Rinnen und Rinnlein durchfurcht, die kreuzend ihre Bahnen gebildet haben.
Emsig eilen zur Mittagszeit bei warmem Sonnenschein die kleinen Wasser¬
adern des kaum einen Grad Wärme haltenden, diamantklaren Eiswassers
größeren, bachähnlichen Furchen zu, deren Bett ebenfalls aus durchsichtig¬
hellem Gletschereis besteht. Diese Bäche stürzen aber nach kurzem Laufe
laut rauschend in tiefe, trichterförmige Löcher, „Mühlen" oder „Llonlins"