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Göttinger Markt zu schicken. „Toif" (Warte!), sagte der Herr von der Draken-
bürg, zog dem Esel die Hant ab, schlachtete ihn ganz kunstgerecht aus und packe
am andern Morgen seiner Magd den Tragkorb voll Eselfleisch; auf den Grund
des Korbes aber legte er die Eselshaut nebst einem Brief und schickte alles an
den Markt. Hier bot nun die Magd das Fleisch des unreinen Tiers für
Kalbfleisch aus, und die Göttinger kauften so fleißig, daß der Korb bald bis
auf den Grund geleert war. Darauf machte sich das Mädchen hurtig aus dem
Staube, und die zuletzt kommenden Kauflustigen fanden in dem geleerten Korbe
die Eselshaut samt dem Briese. Sie brachten beides sogleich zum Magistrat.
Hier öffnete der Bnrgemeifter den Brief und las: „Damit inan für alle Zeiten
weiß, daß ihr eures Gleichen freßt, so schreibt auf diese Eselshaut, was ihr
heute von mir gekauft und gegeffen habt. Herr von der Drakenburg." — Da
aber lief den Herren vom Rat die Galle über; sofort ließen sie die Sturm-
glocke schlagen und trugen den sich mit Wehr und Waffen sammelnden Bürgern
den Schimpf vor, welchen der Drakenburger der ganzen Stadt angethan hatte.
Nun verschworen sich die Bürger, nicht eher Wehr und Waffen abzulegen, bis
die Drakenburg der Erde gleich gemacht sei, zogen in hellen Hausen über
den Hainberg und eroberten in grimmigem Mute beim ersten Anlaufe die
Drakenburg. Alles was Leben in der Burg hatte, mußte über die Klinge
springen, und der Burgherr ward von der Zinne des Hauptturms in die
Spieße der unten stehenden Eroberer gestürzt. — Mehrere Wochen lagerten die
Göttinger in Herberhausen, Rohringen und am Klausberge und zerstörten die
Burg bis auf den Grund; erst als der Pflug über die Stelle der Zerstörung
hinweg gegangen, zogen sie zur Stadt zurück, und heute sindet man noch nicht
einmal mehr die Grundmauern der Burg vor.
[21] Karl Seifart.
50. Die Messe.
Ein besonderer Anziehungspunkt in der Umgegend von Güttingen
ist die Plesfe, eine Burg aus grauer Vorzeit, die etwa eine halbe
Meile von Göttingen int Leinethale auf einem hervorspringenden,
jedoch mit der übrigen Bergkette zusammenhängenden, hohen und
steilen Bergkopfe liegt. Ein wunderbarer Anblick! Zwei graue
Türme von beträchtlicher Höhe, ein Trotz dem Sturme der Jahr-
hunderte, ragen hehr und majestätisch über die hier nnd da durch-
löcherten Mauern.
Der äußerte Berggipfel, aus dem die stolze Bnrg sich erhob,
ist durch einen tief in den Felsen gehauenen Graben von dem
übrigen Teile des Berges getrennt. Sonst führte eine Zugbrücke
hinüber zum Thore des Vorhofs, dessen Pfeiler und Bogen nebst
der darau häugeudeu Vormauer noch manchem Jahrhundert trotzen
können. Die Burghut, welche die Einfahrt deckte, ist nicht mehr
vorhanden, wohl aber die Schießscharten mit ihren Brustwehren und
Basteien. Die eigentliche Burg ist nochmals mit einer zum Teil
zerfalleueu Mauer umgeben; die Pforte derselben befindet sich nach