42. Das Weiße Sachsenrosz.
1. Es jagt der Sturm im grünen Wald,
er reitet und zwängt der Eichen Wucht;
die alte Weser muß ihre Wellen
vor Zorn und Angst am Fels zerschellen,
und vom Gebirg uns aus der Schlucht
des Donners Siegesrufen hallt.
2. Ein fränk'scher Mann, gar müd und still,
verlassen irrt im fremden Land;
die Glieder brechen ihm fast zusammen,
doch löscht ihm nichts des Auges Flammen;
da steht ein Hüttlein an dem Strand:
„Hallo! Ein Fremder Obdach will!"
3. Ein Sachse, hoch, mit stolzem Blick,
sieht lang und fremd den Franken an:
„Kommst Du um Gastfreundschaft zu bitten,
so bist Du sicher in Sachsenhütten!" —
Da trat den Herd der Franke an,
er nahm den Becher und gab ihn zurück.
4. Sie sitzen ernst am heil'gen Herd,
sie sehen einander schweigend an,
und stumm bewundert immer wieder
ein jeder des andern Heldenglieder.
Da hebt zuletzt der Franke an:
„Bei Gott, wir sind einander wert!
5. Wenn solcher viel das Sachsenland
zum Kampf ob unserm König stellt,
so möchte Karol bitter klagen,
daß Sachs' und Frank' noch Schlachten schlagen!"
Da führt der Sachs' ihn an der Hand
Hinaus aufs regengrüne Feld.
6. Ein weißes Roß, gar stark und schön,
sprang auf der freien Weide frei.
„O laß das schöne Roß uns fangen!"
so sprach der Franke mit Verlangen.
„Gefangen hat's noch keiner gesehn,
doch auf mein Locken kommt es frei!"
Voges, Bilder.
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