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Herakles. 
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wie ist dein Name?" Sie antwortete: „Meine Freunde nennen mich 
das Glück, meine Feinde aber, die mich schelten wollen, nennen mich 
das Laster." Unterdessen war auch das andere Weib herangetreten. 
Dieses nahm nunmehr das Wort und sprach: „Folge du mir, o Herakles! 
Wisse wohl, ohne Arbeit und Mühe gewähren die Götter den Menschen 
kein Gut. Willst du, daß die. Freunde dich lieben, so mußt du den 
Freunden dienen; willst du geehrt sein bei deinen Mitbürgern, so mußt 
bii dich ihnen nützlich erweisen; wenn du wegen deiner Tugend die Be- 
wunderung des gangen Hellas erregen willst, so mußt du sein Wohl¬ 
täter werden. Soll das Land dir Früchte tragen, so mußt du es be¬ 
bauen; willst du durch deine Herde reich werden, so mußt du sie Pflegen. 
Willst du kriegen und siegen, so mußt du die Künste des Krieges lernen 
und üben; soll dein Körper deinem Willen dienstbar sein, so mußt du 
durch Arbeit und Schweiß ihn abhärten." Hier fiel das Laster ihr in 
die Rede und sprach: „Lang und schwierig ist der Weg, auf welchem 
dieses Weib zu Glück und Freude dich zu führen verspricht. Ich aber 
werde dich auf leichtem und kurzem Pfade zur Seligkeit geleiten." 
„Unselige," sprach die Tugend, „was für Gutes besitzest du denn? Du 
sättigst dich mit jeder Lust, noch ehe das Verlangen nach dem Genusse 
vorhanden ist. Du issest, ehe dich hungert, du trinkst, ehe dich dürstet. 
Darum sind deine Freunde in der Jugend ohne Kraft, im Alter ohne 
Verstand. Sorglos dnrchschwelgen sie die Jugend, mühselig schleppen 
sie sich durch das Alter, beschämt über das, was sie getan, beschwert 
durch das, was sie tun. Deshalb bist du, obgleich unsterblich, von 
den Göttern verstoßen und bei den Irdischen verhaßt. Mich dagegen 
lieben die Himmlischen und die guten Menschen. Ein jeder ist sich meiner 
Gaben froh bewußt. Die Jüngeren erfreuen sich des Lobes der Alten, 
die Alten der Ehre bei den Jungen. Mit Lust erinnern sich die einen 
der früheren Taten, mit Freuden tun die anderen, was in der Gegen- 
tvart ihnen obliegt. Durch mich ist der Gute den Göttern wert, dem 
Freunde lieb und geachtet int Vaterlande. Darum wähle, o Jüng- 
ling, und folge mir, ans daß du das höchste der Güter erringest, Un¬ 
sterblichkeit." 
Und Herakles folgte dem Rufe der Tugend; mit geduldigem 
Sinne wandelte er den schweren Weg der Pflicht — zu seinem 
Heile. 
3. Herakles und Eurystheus. 
Griechenland war damals noch voll von Wäldern und Sümpfen 
und wurde von grimmigen Löwen, wütenden Ebern und anderen Un¬ 
geheuern durchstreift. Das Land von diesen Untieren zu säubern und 
von Räubern zu befreien, die dem Wanderer in den Einöden ans¬
	        
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