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gehauen; die wenigen, welche aus dem Tempelbezirk zu entrinnen
wußten und außerhalb der Stadt ihr Heil suchten, wurden von den
Reitern des Archelaus eingeholt. An 3000 Juden fielen in diesem
Gemetzel. Das war ein blutiges Passah! Den blutigen Ostern
folgten blutige Pfingsten.
Als sich Archelaus nach Rom begab, um seine Anerkennung
bei dem römischen Kaiser zu erwirken, erschien der römischer Quästor
Sabinus in Jerusalem, um die Hinterlassenschaft des Herodes zu
ordnen. Vornehmlich jedoch suchte er nach Schätzen, welche Herodes
aufgespeichert und verborgen haben sollte. Die Erregung des Volkes
erhielt damit neue Nahrung. Viele Juden waren des Pfingstsestes
wegen nach Jerusalem gekommen. „Neugierde, Erbitterung, Händel-
sucht": alles wirkte zusammen, um die Menge ins Unermeßliche an-
schwellen zu lassen. In drei Haufen teilten sich die Zusammen-
strömenden und lagerten getrennt von einander südlich, westlich und
nördlich vom Tempelberge. Und bald durchraste wilder Aufruhr die
Stadt. Von einem hohen Turme aus — Herodes hatte ihn erbaut
und nach seinem Bruder Phasael benannt — leitete Sabinus den
Kampf. Er ließ seine Scharen gegen den Tempelberg anstürmen.
Die Juden hatten die Dächer der Säulenhallen rings um den Tempel
erstiegen, um von hier aus die Angreifer durch Steinwürfe zurück-
zuscheucheu. Sabinus aber befahl Feuerbrände auf die Zedernholz-
dächer zu werfen, die leicht Flammen fingen und brennend zusammen-
brachen; unter den brennenden Trümmern fanden die Verteidiger
qualvollen Tod. Die Römer drangen in den Tempelbezirk ein; das
Schatzhaus des Tempels wurde geplündert; 400 Talente wurden
die Beute des Sabinus. Aufs neue aber rotteten sich die Juden
zusammen und stürmten gegen die Burg Antonia an, woselbst sie dann
den Sabinus einschlössen. Viele Krieger und Hauptleute des Herodes
fielen von. den Römern ab und bekämpften'dieselben an der Seite der
Juden. In den Provinzen erhoben sich die Anhänger des Herodes
und eilten nach Jerusalem. Der Aufstand gegen die Römer wurde
allgemein. Da zog Varus, der römische Legat in Syrien, mit seiner
ganzen Kriegsmacht dem beinahe verzweifelnden Sabinus zu Hilfe.
Alle Städte der Aufständischen, die er auf seinem Marsche berührte,
ließ er in Flammen aufgehen. Schrecken flog vor ihm her. Bei
dem Anrücken seines kampferprobten Heeres liefen dann die des
Krieges unkundigen Haufen in Jerusalem auseinander. Jerusalem,
welches vor dem Zorn des Siegers zitterte, sah sich gegen Erwarten
glimpflich behandelt. Varus begnügte sich, 2000 der Aufständischen
ans Kreuz zu schlagen. Stadt und Tempel ließ er unversehrt.
Auf den Entscheid Roms hin ward alles Erbe des Herodes