Aus dem Brenner. 11'*
elektrischer Kräfte bestimmt, als Gewitter, Nebel und
Regen niedergehen; sodann wirkt aus den Überrest die
elastische Luft, welche nun wieder mehr Wasser zu fassen,
auszulösen und zu verarbeiten fähig ist. Ich sah das
Aufzehren einer solchen Wolke ganz deutlich; sie hing nni
den stillsten Gipfel, das Abendrot beschien sie: langsam,
langsam sonderten ihre Enden sich ab; einige Flocken
wurden weggezogen und in die Höhe gehoben; diese ver-
schwanden, und so verschwand die ganze Masse nach und
nack und ward vor meinen Augen wie ein Rocken von
einer unsichtbaren Hand ganz eigentlich abgesponnen.
Nun von dem abhängigen, durch Klima, Berghöhe,
Feuchtigkeit aus das Mannigfaltigste bedingten Pflau-
zenreich einige Worte. Auch hierin habe ich keine sonder-
liche Veränderung, doch Gewinn gefunden. Äpfel und
Birnen hängen schon häusig vor Innsbruck iu dem Tale,
Pfirsiche und Trauben hingegen bringen sie aus Welsch-
land oder vielmehr aus dem mittägigen Tirol. Uni
Innsbruck bauen sie viel Türkisch- und Heidekorn, das sie
Blende nennen. Den Brenner heraus sah ich die ersten
Lärchenbäume, bei Schemberg den ersten Zirbel. Ob
wohl das Harfnermädchen hier auch nachgefragt hätte?
Was mich noch aufmerksam machte, war der Eiu-
fluß, den die Gebirgshöhe auf die Pflanzen zu habeu
schien. Nicht nur neue Pflanzen fand ich da, sondern
das Wachstum der alten verändert; wenn in der tiefern
Gegend Zweige und Stengel stärker und mastiger waren,
die Augen näher aneinander standen und die Blätter
breit waren, so wurden höher ins Gebirge hinauf Zweige
und Stengel zarter, die Augen rückten auseinander, so
daß von Knoten zu Knoten ein größerer Zwischenraum
stattfand und die Blätter sich lanzenförmiger bildeten.
Ich bemerkte dies bei einer Weide und einer Gentiana,
und überzeugte mich, daß es nicht etwa verschiedene Arten
wären. Auch am Walcheusee bemerkte ich längere und
schlankere Binsen als im Unterlande.
Die Kalkalpen, welche ich bisher durchschnitten, habeu