III. Zum 1. Artikel.
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solider Lebensversicherungsgesellschaften. Ich nenne euch hier einige,
ohne damit über andere, deren Satzungen ich nicht studiert habe,
irgend ein Urteil fällen zu wollen. (Die Gothaer, Lübecker, Leip¬
ziger, Frankfurter, Braunschweiger, Magdeburger, Stuttgarter, han¬
noversche, berlinische, bairische, kölnische Lebensversicherungsgesell-
schast.) Wer soll denn in so eine Versicherung gehen? „Beim
Familienvater ist beim Tode die Abwendung der Armut mit
ihrem traurigen Gefolge mit Gewißheit nur durch die Versicherung
des Lebens zu erreichen. Es ist das schon oft gesagt und noch nie
widerlegt worden. Trotzdem erfüllen nur verhältnismäßig wenige
diese Pflicht. Fast jedermann räumt freilich ein, daß die Lebens¬
versicherung, möge man sie vom sittlichen und volkswirtschaftlichen
Standpunkte aus betrachten, eine vortreffliche Einrichtung sei, aber
die gewöhnliche Antwort, die dem Agenten auf seine Aufforderung
zum Beitritte wird, lautet: „Für meine Verhältnisse paßt sie nicht."
Der eine ist zu jung, der andere zu alt, ein dritter hat schon zu
viel Vermögen, ein vierter zu wenig. Alle glauben, noch eine lange
Lebensdauer vor sich zu haben und ihr etwa erübrigtes Geld in
vorteilhafterer Weise anderweitig anlegen zu können. Jeder ver¬
ständige Mann versichert sein Hab und Gut gegen Feuersgefahr,
die Ernte gegen Hagelschlag, versandte Waren gegen die Ge¬
fahren des See- oder Landtransportes, die wenigsten halten
es für zweckmäßig, ihr Leben zu versichern, und doch ist das Leben
und die von ihm abhängige Arbeitskraft für die Mehrzahl ein
bei weitem größeres und wertvolleres Kapital als ihr gesamtes
übriges Vermögen. Daß der Beamte, welcher kein erhebliches
Vermögen, aber eine von seiner Einnahme abhängige Familie hat,
verpflichtet ist, sein Leben zu versichern, wird von allen Nichtbeamten
bereitwillig zugestanden. DerKaufmann, der Gewerbetreibend e,
so sagen viele, thut besser, den Betrag der jährlichen Versicherungs¬
gebühr in seinem Geschäfte anzulegen, in dem es weit mehr einbringt.
Diese Behauptung geht von der irrigen Voraussetzung aus, daß
jeder Kaufmann mit Gewinn arbeite, während doch die tägliche Er¬
fahrung lehrt, daß sehr viele beim Eintritte des Todes nicht nur
nichts erworben haben, sondern das ererbte oder früher erworbene
Vermögen zugesetzt haben. Außerdem leiden sie an demselben Irrtume,
der manche veranlaßt, ihre Ersparnisse lieber in einer Sparkasse an¬
zulegen, nämlich dem, daß sie sehr viele Jahre leben werden, bis die
eingezahlten kleinen Beiträge dieselbe Höhe erreichen, welche durch
eine einmalige Zahlung der Versicherungsgebühr für eine Lebens-
Patuschka, Volkswirtsch. Ergänz. 4
Lebens¬
versicherung.