Full text: Geographisches Quellenlesebuch der außereuropäischen Erdteile

Während der letzten Tage hatten wir oft davon gesprochen, wie er¬ 
wünscht es wäre, könnten wir den Nomaden einige Yaks abmieten. 
Unsere eigenen waren erschöpft, hielten uns auf und liefen sich in den 
hohen, schuttreichen Gegenden, durch die wir jetzt zogen, die Füße mit 
jedem Tage mehr wund. Solange das Land offen vor uns lag, mußten 
wir nach Möglichkeit eilen. Saumseligkeit konnte gefährlich werden; 
die Jaks marschierten aber, als ob sie einen Klotz am Bein hätten! Im 
Selin-do sahen wir keine Zelte, in der Dämmerung aber kam Namgjal mit 
zwei Tibetern, die er in einem Quertal getroffen hatte, angewandert. 
Sie waren bereit, mir 2 5 Yaks zur Verfügung zu stellen, wenn sie einen 
Tega (etwa 45 Pfennige) für jeden Marschtag erhielten; sie rechneten 
für den Weg bis Je-schung am Tsang-po acht Marsch tage. Sie selber 
wollten uns nur eine Tagereise weit begleiten, standen aber dafür ein, 
daß neue Leute an ihre Stelle treten würden, wenn sie umkehrten. 
Besseres konnte mir gar nicht begegnen: wir konnten unsere eigenen 
Tiere schonen, längere Tagemärsche machen und sollten obendrein noch 
gute Führer erhalten. 
Abends besuchten uns sieben stark bewaffnete Reiter; sie waren auf 
der Suche nach einer Räuberbande, die ihnen mehrere Pferde gestohlen 
hatten. Wir konnten ihnen über die Gesellschaft, der wir gestern begegnet 
waren, Auskunft geben, und sie ritten sehr dankbar talaufwärts 
weiter. 
3ot Januar. Morgens fanden sich unsere neuen Freunde mit ihren Yaks 
ein; als alles geordnet war, stellte sich heraus, daß wir von dem großen 
Gepäck, das wir beim Aufbruch aus Leh mitgenommen hatten, nur noch 
achtzehn Lasten besaßen! Die beiden letzten Ciceroni wurden bezahlt 
und schritten sogleich dem Sela-la zu. Wir trafen eine Karawane von 
55 Yaks, die mit großen Ballen chinesischen Ziegeltees aus Lhasa heladen 
waren und ihn nach der Provinz Tschokschu bringen sollten. Ein Dutzend 
schwarzer, barfüßiger Männer begleitete dieTiere; sie pfiffen und sangen, 
drehten wollenes Garn mit Hilfe einer vertikal rotierenden Spule zu¬ 
sammen oder waren mit ihren Gebetsmühlen beschäftigt. Auch sie 
hatten ihre Yaks gemietet und sollten sie in Selin-do gegen frische aus- 
tauschen. Sie hatten noch fünfzig Schafe mitgenommen, die kleine 
Gerstenlasten trugen. Kurz, je weiter wir vordrangen, desto lebhafter 
wurde der Verkehr. Aus den Seitentälern sieht man kleine Fußpfade 
in unsern Weg, der jetzt schon breit ist und von bedeutendem \erkehr 
zeugt, einlaufen. Alle unsere Führer sagen auch, daß diese große Land- 
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