III. Amerika.
1. Im nördlichsten Amerika*.
Im Osten der Hudsonbai zieht sich die gewaltige, noch wenig bekannte
Halbinsel Labrador hin. Ganz besonderes Interesse bietet Labrador,
wenn man es mit der skandinavischen Halbinsel, welche es an Größe
ungefähr um das Doppelte übertrifft, vergleicht. Symmetrisch mit
ihr liegt Labrador an der Westseite des Atlantischen Ozeans und ist
wie sie durch ein Binnenmeer, die der Ostsee entsprechende Hudsonbai,
von dem sich weiterziehenden Weltteile abgetrennt. Der Hauptunter¬
schied liegt darin, daß diese Gegend bedeutend südlicher liegt als
Skandinavien; ihr nördlichstes Vorgebirge ist auf dem Breitengrade des
südlichsten Norrlands gelegen, während ihr südlicher Teil sich mit ihrer
breiten Front ebenso nahe an den Äquator heranzieht wie Nordfrankreich.
Man sollte infolgedessen erwarten, hier ein aufblühendes, reich be¬
völkertes Gebiet zu finden, welches noch mehr Bedeutung dadurch
besäße, daß kein Teil des amerikanischen Kontinents Europa so nahe
liegt wie gerade Labrador. Wie unähnlich ist die Wirklichkeit diesem
Bilde! Beinahe schon bei seiner Entdeckung ist Labrador als eine für
Menschen fast unbewohnbare Wildnis bekannt gewesen. Die Küsten
werden von allen Seiten mit kaltem Wasser bespült. Beim \ergleichen
wollen wir von den Temperaturverhältnissen am atlantischen Ufer auf
dem Breitengrade von Gothenburg ausgehen. Einer mittleren Kälte
von 2 4° im Januar, also einer viel Kälteren Temperatur als auf Spitz¬
bergen, entspricht ein Sommer, dessen heißester Monat —8V20 warm
ist, ungefähr so wie im südlichen Grönland. Weiter nach Norden
hin wird es noch viel kälter, und in der anderen Richtung ent-
* Nordenskjöld, Die Polarwelt und ihre Nachbarländer. Teubner, Leipzig'.
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