Full text: Für Tertia (Abtheilung 1, [Schülerband])

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C. Didaktisch epische Poesie. XIV. Epigramme. Geibel. 
Wo den beschatteten Kreis die feurig strahlende Sonne 
Fast gleich messend umher säumte mit blendendem Rand. 
Aber ich stand und rührte mich nicht; dämonischer Stille, 
Unergründlicher Ruh' lauschte mein innerer Sinn. 
Eingeschlossen mit mir in diesem sonnigen Zauber- 
Gürtel, o Einsamkeit, fühlt' ich und dacht' ich nur dich! 
161. Epigramme. (1839—40.) 
Von Emanuel Geibel. Distichen aus Griechenland. Gedichte. Berlin, 1858. 
1. Die Ebene von Marathon. 
Halb von öden Gebirgen umkränzt, streckt Marathons heil'ge 
Thalflur gegen des Meers schimmernde Bucht sich hinab. 
Feierlich schweigt es umher, stumm kreisen die Adler, nild einsam 
Ueber dem weiten Gefild schwebt der Gefallenen Ruhm. 
2. Grab des Themistokles am Piräeus. 449 v. Chr. 
Wo am zackigen Fels das Gewog' sich brandend emporbäumt. 
Senkten die Freunde bei Nacht heimlich Themistokles Leib 
In heimathlichen Grund. Festgaben und Todlengescheuke 
Brachten sie dar, und es floß reichlich die Spende des Weins. 
Aber den Zorn des verblendeten Volks kleinmüthig befürchtend, 
Stahlen sie leise sich heim, ehe die Dämm'rung erschien. 
Denksteinlos nun schlummert der Held; doch drüben im Spätroth 
Ragt ihm, ein ewiges Mal, Salamis Felsengestad'! 
3. Des Gastes Dank. 
Freundlicher Greis, hab Dank! Du erquicktest die durstigen Wandrer, 
Die aus felsigem Steig deiner Behausung genaht. 
Selbst zwar arm, doch ludest du uns in des grünenden Weindachs 
Schatten und brachtest uns gern, was du besaßest, herbei. 
Sorglich lasest du selbst im Garten die saftigsten Trauben, 
Ans dem erfrischenden Quell schöpftest du selber den Trunk. 
Freundlicher Greis, hab Dank! Zwar schlugst du das Gegengeschenk auS, 
Aber den segnenden Wunsch halt' ich vergebens zurück: 
Möge der Stock dir blühn von den köstlichsten Beeren, und täglich 
Streue der Palme Gezweig dichteren Schatten umher! 
Nimmer versiege der labende Quell, und nimmer im Fasse 
Gehe der Weizen dir aus, nimmer im Kruge das Oel; 
Doch uns möge der Wanderer Gott noch oft es gewähren, 
Solch ein traulich Gemüth wiederzufinden wie deins!
	        
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