Full text: Für Ober-Sekunda und Prima (Prosah. 7)

Th. Mommsen, Das Geld. 
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Altertum zu der Bilduug sich selbst regierender Großstaaten und zu der 
eines wahrhaft international geordneten Staatensystems nicht gelangt 
ist, so ist es auch im Geldwesen durchaus über das Metall nicht hin¬ 
ausgekommen. Zu fester und selbständiger Entwickelung ist das Metall 
als allgemeiner und ausschließlicher Wertmesser im Altertum an zwei 
verschiedenen Punkten gelangt, deren Gegensatz bedeutsam ist. Es gibt 
zwei gleich uralte und gleich selbständige Festsetzungen dieser Art; die 
eine gehört dem asiatischen Osten an, die andere der italischen Halb¬ 
insel. Seit es eine Geschichte gibt, finden wir im inneren Asien Gold 
und Silber nebeneinander als allgemein vermittelnde Waren verwendet, 
in Italien dagegen in gleicher Stellung das Kupfer. Jene Ordnung, 
die auf der gesetzlichen Feststellung des Wertverhültnisses der beiden 
edlen Metalle zueinander ruht, tritt uns mit historischer Bestimmtheit 
zuerst entgegen im Persischen Reich; sicher aber hat sie im Orient ge¬ 
golten, seit die Despotie, namentlich das Großkönigtum daselbst über¬ 
haupt zu fester Form gelangt ist. Einfacher war die italische Ordnung; 
man kaufte und verkaufte hier gegen Kupfer nach dem Gewichte. 
Forschen wir nach der Entstehung dieser Systeme, so liegt die des 
letzteren auf der Hand. In ältester Zeit, wo man das Eisen noch nicht 
zu bearbeiten, namentlich nicht gehörig zu stählen verstand, war das 
Kupfer alles in allem, war nicht nur der Kessel und der Harnisch von 
Kupfer, sondern auch die Pflugschar, das Messer, das Schwert; und 
Italien selbst erzeugte von diesem Metall nur eine äußerst geringe 
Quantität. Große und reiche Landschaften, wie namentlich Latium, 
waren dafür durchaus auf die Einfuhr von außen her angewiesen; 
überhaupt aber verbrauchte Italien weit mehr Kupfer, als es hervor¬ 
brachte. Unter solchen Verhältnissen war es wohl natürlich, daß jeder 
Käufer für seine Ware bereitwillig Kupfer nahm; und damit erhielt 
dieses Metall in Italien als höchst nötige und immer knapp vorhandene, 
deshalb stets begehrte Ware den Charakter des allgemein gültigen Tausch- 
mittels, zuerst gewohnheitsmäßig und dann auch durch gesetzliche Ordnung. 
Ganz anders im Orient. Wenn dort seit frühester Zeit Gold und 
Silber in festem Verhältnis zueinander als allgemeiner Wertmesser gelten, 
also eben das System besteht, das im wesentlichen noch in den heutigen 
Münzordnnngen herrscht, so beruht dies ohne Zweifel aus der uns 
Occidentalen seltsam erscheinenden, aber mit dem Wesen des Orients 
und der Orientalen aufs engste und innigste verwachsenen Neigung des 
Schätzesammelns, wie sie poetisch niedergelegt ist in dem indischen 
Märchen von den goldgrabenden Ameisen, in der arabischen Legende 
von der Höhle Aladdins voll ungezählter Goldstücke und herrlichsten 
Geschmeides; wie sie in ernsterer Weise sich ausdrückt in dem orientalischen 
Staat, dessen Ideal für die Untertanen jene goldgrabenden Ameisen sind, 
für den Herrscher jener Besitzer des Feenhortes. Das Aufhäufen des 
Lorentzen-Rode-Weise, Prosahest VII. 30
	        
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