4
Mittelalter.
5. Will man den Charakter und die Sitten je-
itcr Zeiten im Allgemeinen bestimmen, so nahem sie
sich mehr dem Alterthum, als der neuern Zeit. Kör-
perkraft und Tapferkeit galten auch hier mehr als al¬
les Andere, aber bei den germanischen Stammen und
bei den Arabern war auch Treue und Gerechtigkeit in
Ansehen. Freiheit liebten diese Barbaren so sehr, wie
die allen Griechen; ihre abenteuerlichen Züge, ihre
ritterlichen Kämpfe finden nur in der alten Geschichte
ein Gegenstück. Die Sitten waren einfach, zuweilen
roh; man trank aus dem Schädel des erschlagenen
Feindes, übte Vergeltungsrecht und Blutrache. Viele
Völker lebten von Raub und Plünderung des Auslau-'
des, und in manchen Landern war selbst der gesell-
schastlichc Zustand weilig besser.
6. Diese Übel tilgte das Christentbuin»
Wenn auch blinder Religionseifer und Sectn-.haß
blutige Verfolgungen verursachte, so ward doch das
Volk durch den Glauben an das Höhere von schädli¬
chen Nationalgebrauchen abgezogen, zu vielen: Gu-
ten und Nützlichen getrieben, und Fleiß und Betrieb-
samkeit befördert und geleitet. Der Geistlichkeit und
den Klöstern verdanken viele Lander die Cultur'ldes
Bodens, und die Wissenschaften die Erhaltung wichti-
ger Werke des Alterthums und des Mittelalters.
7. Die meisten und wichtigsten Quellen für die-
sen Zeitabschnitt sind Chroniken, von Geistlichen
in lateinischer Sprache verfaßt. Ihr Gebrauch er-
fordert Vorsicht, wenn gleich nicht sowohl absichtliche
Parteilichkeit, als falsche Ansichten ihres Zeitalters
zu Abweichungen von der Wahrheit führten. In An-
sehunK