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Das Netz zerre ßt oft und geht nicht selten ganz in der See 
verloren. Die Kähne sind nur klein und von schwacher Bauart, 
so daß sie nicht mehr als 4 — 6 Leute zur Bemannung auf¬ 
nehmen können, die sich nicht weit über drei Meilen in die 
See hinauswagen dürfen; sehr häufig ziehen die Fischer aber 
tiefer in die See hinein. Man fangt mit Angeln und Netzen 
Dorsche und Lachse, oft auch Häringe; aber der Dorschsang macht 
den größten Betrieb des samlündischen Seefischers aus, denn er 
findet fast das ganze Jahr hindurch statt. Selbst dann, wenn 
das Eis das Ufer der See bedeckt, setzt man den Dorschfang 
fort. Man schlägt große Löcher (Wuhnen) in die See und zieht 
das Angeltau vermittelst einer Stange von Wuhne zu Wuhne 
unter dem Este fort. In der Mitte haut man die große Fang- 
wuhne aus, in welche man das Angeltau zieht. In der Winter¬ 
zeit sind die Fischer oft in der traurigsten Lage, da der Dorsch 
fast ihr einziges Nahrungsmittel ist; selbst unter das Brot wird 
geröstetes und dann zerstampftes Dorschfleisch genommen. Selten 
werden auch die Fische auf dem Lande verkauft, gewöhnlich 
werden sie nach Königsberg gebracht; oft finden sich auch Juden 
aus Polen ein, die große Vorräthe, auf Wagen gepackt, in die 
Heimath führen. 
Die samlündischen Fischer sind arme, aber ehrliche, biedere 
Leute. Ein Dorf bildet eine große Familie, Freud' und Leid 
wird gemeinschaftlich getragen. Die Noth naht aber oft diesen 
Hütten in einem hohen Grade. Nur ein Beispiel davon. Der 
Morgen des 15. Dezember 1845 verkündete einen heitern Tag, 
ein gelinder Frost hatte das weiche, trübe Herbstwetter verdrängt. 
Gegen Mittag bewölkte sich zwar der Himmel, und der Wind 
wehte aus Südwest; dennoch ließen sich die Fischer aus dem 
Stranddorfe Groß-Kuhren und einigen andern Ortschaften nicht 
abhalten, ihrem Gewerbe nachzuziehen. Nachmittags aber tobte 
ein gewaltiges Unwetter daher, fürchterliche Windstöße trieben 
dichte Schnee- und Hagelschauer herauf, und ein unaufhörliches 
Schneegestöber hüllte die Luft in einen undurchdringlichen Schleier 
ein. Tue Fischer suchten auf ihren Kähnen den Strand zu er¬ 
reichen. Einige Boote retteten sich glücklich, das eine fast aus 
wunderbare Weise. Die Seenlöven halten sich nämlich bei stür¬ 
mischem Wetter stets in der Nähe des Strandes auf: ein solcher 
Vogel umkreiste ein Boot; die Fischer vermutheten nun, daß sie 
in der Nähe des Strandes sein mußten, und suchten den Vogel 
durch Fische, die sie als Lockspeise hinwarfen, in ihre Nähe ztl 
fesseln. Es gelang, unb das Boot landete glücklich. Vier andere 
Fahrzeuge aus Groß-Kuhren kehrten aber nicht mehr zurück. 
Sechszehu, zu Wittwen gewordene Frauen, warteten vergeblich
	        
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