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weinte ihn auch wie einen Vater. Einige Zeit nach seinem Tode wurde
nebst vielen andern Dingen auch die Menagerie verkauft, die er in
Nymphenburg gehalten hatte, viele seltene Tiere mannigfaltiger Art, auch
überseeische Loris, Papageien und deutsche Stare. Von den letzteren
waren schon alle verkauft; nur einer war noch übrig, der letzte, und von
unsceinbarem Äußern. Still und mit struppigem Gefieder saß er auf
der Stange, als ob er sich noch über den Tod seines Herrn betrübte,
wie etwa ein alter Diener, wenn nach dem Tode seiner Herrschaft das
Hausgerät fortgeschafft wird, unter dem er alt und grau geworden ist,
stumm umhergeht und sich grämt, daß er das alles überlebt. Als nun
der alte, unscheinbare Vogel unter den Hammer kam, bot niemand darauf,
und nachdem ihn der Ausrufer drei- oder viermal angeboten hatte und
alles schwieg, setzte man den Käfig mit dem Stare in eine Ecke bei—
seite, um andere Dinge auszurufen. Auf einmal schallte es aus der
Ecke: „Max Joseph! Vater Max!“ —
Älle Köpfe wendeten sich nun nach der Seite hin, woher der Ruf
kam. „Wer ist's? Wer ruft?“ fragten viele, und da einer, der dem
Käfig zunächst stand, sagte: „Es ist der Star, der weggesetzt worden
ist — da riefen alle wie aus einem Munde: „Den Star, den Star
her!“ So kam der unscheinbare Vogel mit einem Male zu Ehren, weil
es eben jedem vorkam, als habe die treue Liebe, die er selbst im Herzen
hegte, durch den Vogel eine Stimme bekommen. Der Star selbst aber,
da alles um ihn her so lebendig wurde und alle Anwesenden ihn lieb⸗
koseten und lobten, wurde nun auch ganz munter und rief in einem fort:
„Max Joseph! Vater Max!“ nicht, wie man zu sagen pflegt, als ob er
dafür bezahlt würde, sondern so recht aus vollem Herzen. Da wollte
nun jeder den beredt gewordenen Vogel haben, und die Gebote jagten
und überstiegen sich, so daß wohl nie ein Star so teuer bezahlt worden
ist. Und der, welcher ihn endlich erhielt, meinte, einen Sieg gewonnen
zu haben, und trug ihn im Triumphe nach Hause, und die andern be—
neideten ihn. Das war denn auch eine Leichenfeier von eigentümlicher
Art und gewiß keine der schlechtesten. Jacobs.
119. Die Taube.
Das Anmiudigste unter allem. as Flũgel trũgt, ist unstreitig die Taude.
Se ist ein lieber, frommer und schöner Vogel, sanft und arglos, voll
zürtlicher Liebe und nach dem GQlauben der Alten ohne Galle; ihr
ganges Sein und Leben ist friedlich und olme Schald. Sie ist