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Aus der Geschichte der Neuzeit.
8 106. Der Augsburger Religionsfriede (1555). Auf dem von
Ferdinand im Aufträge Karls abgehaltenen Reichstage zu Augsburg kam
eine Vereinbarung über die kirchlichen Verhältnisse Deutschlands zustande.
Die „Augsburgischen Konfessionsverwandten", d. H. die Stände, die sich
für die Confessio Augustana entschieden hatten, erhielten freie Religions¬
übung und dieselben politischen Rechte wie die Katholiken, es wurde den
Reichsständen (Landesherren und Freien Städten) das jus reformandi zu¬
gestanden, doch durften die mit der Religionsordnung Unzufriedenen aus¬
wandern. Die bis zum Passauer Vertrage vollzogenen Säkularisationen
wurden anerkannt.
Dagegen wurde keine Einigung erzielt über die Stellung der geist¬
lichen Fürsten zur Reformation. Die Katholischen verlangten, daß ein
geistlicher Fürst, der die alte Kirche verlasse, seine Würde niederlege
(Reservatum ecclesiasticum). Diese Forderung wurde in das Reichs¬
gesetz ausgenommen, aber ausdrücklich hinzugefügt, daß die Evangelischen
nicht zustimmten.
Der Augsburger Friede konnte als eine endgültige Regelung der kirch¬
lichen Fragen nicht betrachtet werden, denn er kam nur den Anhängern
der Augsburger Konfession zugute, nicht aber den Reformierten, d. H. den
Anhängern Zwinglis und Kalvins. Auch brachte er über wesentliche
Punkte überhaupt keine Einigung; vielmehr lagen hier, da jede Partei auf
ihrem Standpunkte zu verharren sich berechtigt glaubte, die Keime schwerer
Zerwürfnisse schon offen zutage.