Full text: Alte Geschichte (Theil 1)

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Hl. Abschnitt. Die Könige von Preußen. 
Eine unwillkürliche Waffenruhe trat auf mehrere Wochen zwi¬ 
schen den Heeren ein, aber leider fielen in dieser Zeit wieder mehrere 
Festungen. So in Schlesien Schweidnitz und Neiße, in Preußen 
Danzig, doch tapfer vertheidigt vom braven General Kalkreuth. End¬ 
lich rückten auch die Streitmassen wieder vor und trafen am 14ten 
Juni bei Friedland zusammen. Es entbrannte hier die Schlacht. 
Die Russen stritten mit angestrengter Tapferkeit, die Franzosen mit 
wahrer Wildheit. Neunzehn Stunden dauerte der Kampf; der Mond 
leuchtete schon in voller Klarheit über das blutige Schlachtfeld hin, 
und das brennende Friedland sendete weit umher seine Flammen. 
Da erst rastete das Schwert. Die Russen waren geschlagen, Königs¬ 
berg siel in die Gewalt der Sieger, und Napoleon verlegte sein Haupt¬ 
quartier nach Tilsit, am Niemenflusse. 
Dieser Sieg entschied über den Willen Alexanders. Ec stand 
jetzt an den Grenzen seines Reichs, sollte er das blutige Kampfspiel 
noch weiter führen? Seinem Freunde Friedrich Wilhelm wurde da¬ 
durch nicht geholfen. Also bot ec die Hand zur Festsetzung einer 
Waffenruhe, und Napoleon war sehr willig dazu. Ein Waffenstill¬ 
stand wurde abgeschlossen, und die Stadt Tilsit für partheilos erklärt, 
damit dort die Monarchen sich vereinigen könnten, um möglicherweise 
den Frieden zu Stande zu bringen. 
So war denn allem Anscheine nach das Ende des unglücklichen 
Kampfes nahe. Wenige erfreuliche -Züge bietet er dem Vaterlands- 
fceunde dar, aber eben darum werde das Wenige hier erzählt. 
Als nach der Schlacht bei Jena alsbald Erfurt sich ergab, soll¬ 
ten die 8000 Gefangenen nach Eisenach geschafft werden. Da führte 
der damalige Lieutenant Hellwig eine kühne That aus. Er hatte 55 
Husaren bei sich. Wi? ein Blitzstrahl fuhr er mit diesem Häuflein 
auf die 540 Mann starke feindliche Bedeckung ein, sprengte sie aus¬ 
einander und befreite glücklich alle die jubelnden Gefangenen. 
In dem Gefechte bei Halle sah ein preußischer Fahnenjunker sich 
so umringt, daß er keinen Ausweg zum Entrinnen sah. Schnell war 
sein Entschluß gefaßt. „Ehe der Feind die Fahne bekommt," rief er, 
„stürze ich mich in die Saale!" und fast in demselben Augenblick 
verschlangen die Saalfluthen den braven Preußen mit seinem Kleinode. 
Die Festungen Graudenz und Pillau wurden hart bedrängt. 
In beiden kommandirten Greise, aber Jünglingsfeuer und unerschüt¬ 
terliche Treue gegen den König belebten die grauen Krieger. Der 
französische General ließ den 73jahrigen Kommandanten Courbiere zu 
Graudenz zur Uebergabe mit dem Zusatze auffordern, der König von 
Preußen sei nach Memel geflüchtet und habe sein Land verloren. 
„Nun," antwortete Courbiere, „so will ich dennoch versuchen, wie 
lange ich König von Graudenz bleiben kann." Und der tapfere Be¬ 
fehlshaber Hermann zu Pillau versammelte die Besatzung, ließ sie in 
einen Kreis treten, in dessen Mitte er selbst vor einem Sarge stand. 
„Kameraden," sprach er, „lebendig übergebe ich die Festung nicht.
	        
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