Full text: Von Europa, Portugall, Spanien, Franckreich, England, Schottland, Ireland, Niederland, Schweitz und Italien (Theil 1)

Theseus. Ariadne. 
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Wiederkehr. Das Eine mußte er ihr versprechen, auf der Rückkehr 
wieder einzusprechen, damit sie seiner Rettung gewiß würde. Aber 
als er heimzog, fand er die freundliche Alte nicht mehr am Leben; 
entseelt lag sie da; die Götter hatten sie gleich nach ihrer guten 
Thal zu sich genommen. Aber Theseus vergaß die gute Alte 
nicht und stiftete zu ihrem Andenken ein jährliches Fest. 
Athen war damals in einer drückenden Abhängigkeit von der 
Insel Kreta (jetzt Candia). Aegeus hatte des Königs von Kreta, 
Minos, Sohn getödtet, und dafür sich der herben Bedingung 
unterwerfen müssen, alle neun Jahre sieben Jünglinge und sieben 
Mädchen nach der Insel zu schicken. Die Unglücklichen wurden 
dort in das Labyrinth voll Jrrgänge gesperrt und von dem hier 
hausenden Unholde, dem Minotaur, der halb Mensch und halb 
Stier war, ausgefressen. Eben jetzt sollte wieder eine solche La¬ 
dung, die dritte, dahin abgehen. Schon war das Loos geworfen, 
uub die Straßen Athens füllten sich mit dem lauten Jammer der 
Mütter, die ihre Kinder hingeben sollten. Da ergriff Mitleid mit 
dem Schicksale der Jammernden und Unwille über die Schmach 
seines Vaterlandes zugleich des Theseus edles Herz. Er verlangte 
mitzureisen, um einen Kampf mit dem Ungeheuer zu bestehen. 
Ungern bewilligte es der Vater; denn Theseus war sein einziger 
Sohn. „Aengstige dich nicht, Vater!" sprach Theseus, „kehre ich 
glücklich wieder, wie ich hoffe, so soll aus weiter Ferne ein wei¬ 
ßes Segel dir meine Rettung verkünden; falle ich aber — nun 
so erwarte das Schiff mit nichts Andern:, als einem schwarzen 
Segel." So fuhr er fort, landete glücklich in Kreta, wurde mit 
den Uebrigen vor den König Minos gebracht, und sollte eben 
schon in das Labyrinth geführt werden (seine Keule hatte er nicht 
vergessen), als des Minos freundliche Tochter, die schöne Ariadne, 
heimlich zu ihm schlich. Sie hatte ihn gleich beim ersten Anblick 
lieb gewonnen, und es hatte sie gedauert, daß der beherzte Jüng¬ 
ling aufgeopfert werden sollte. „Wenn du ihn retten konntest!" 
hatte sie bei sich gedacht. „Gewiß wird sein Heldenmuth siegen; 
aber selbst dann! — wie kann er sich wieder herausfinden aus 
den Jrrgängen ^des Labyrinths?" — Da fiel dem klugen Mäd¬ 
chen ein: „Wie, wenn du ihm ein Knäuel mitgäbest, dessen Ende 
er am Eingänge befestigte und das er im Weitergehen ablaufen 
ließe? An dem könnte er sich nach vollbrachter That wieder zu¬ 
rückfinden." — Gesagt, gethan! Sie eilte heimlich zu Theseus, 
drückte ihm das rettende Knäuel in die Hand, gab ihm kurz eine
	        
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