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die größte Verwirrung in allen Verhältnissen; statt des Gesetzes galt
die Gewalt des Stärkeren, das Faustrecht; Jeder that, was er wollte,
und Straßenraub war an der Tagesordnung. Da ermahnte der
Papst Gregor X. die deutschen Fürsten dringend, sich zu einigen und
ihre Stimmen bei der Wahl nicht zu zersplittern. Sie kamen zu¬
sammen und auf den Vorschlag des Erzbischofs von Mainz, den
der Burggraf von Nürnberg unterstützte, fiel die einhellige Wahl
auf den Grafen Rndolph von Habsbnrg in der Schweiz. Derselbe
hatte in der Schweiz einige Besitzthümer, die indeß nicht so groß
waren, daß er durch seine Hausmacht den Fürsten hätte gefährlich
werden können. Er war aber durch seine Tapferkeit, die er in
mehreren Fehden bewiesen hatte, durch seine Frömmigkeit uud Red¬
lichkeit weithin berühmt. Aus Schillers Gedicht „Der Graf von
Habsburg" ist bekannt, daß er einst einem Priester, der einem
Sterbenden das Abendmahl bringen wollte nnd durch einen ange¬
schwollenen Bach auf seinem Wege gehemmt wurde, sein Pferd gab,
um hinüberznkommeu. Derselbe Priester soll später Kapellan beim
Erzbischof von Mainz geworden sein und namentlich dessen Aufmerk¬
samkeit auf Rudolph hingelenkt haben. Doch kannte der Erzbischof
den Grafen Rudolph persönlich; derselbe hatte ihm früher auf einer
Reise nach Rom von Straßburg aus bis zu den Alpen freies Geleit
gegeben, und die dankbare Erinnerung davon mag für den Erzbischof
bei der Wahl maßgebend gewesen sein. Rudolph belagerte gerade
Basel, wo er eine vertriebene Partei wieder einsetzen wollte, als er
die Nachricht erhielt, daß er zum Könige gewählt sei. Sogleich
machte er mit den Baselern Frieden uud begab sich nach Aachen,
wo die feierliche Krönung statt fand, die Schiller in dem oben ge¬
nannten Gedicht so schön besungen hat.
Rudolphs Hauptstreben war, die Macht des deutschen Reiches
zu erhöhen und Deutschlands Ruhm und Wohlfahrt'zu befördern;
darum bekümmerte er sich nicht um Italien, indem er die bekannten
Worte des Fuchses vor der Löwenhöhle auf dieses Land anwendete,
er sehe zwar viele Fnßtapfen derjenigen, die glücklich hinein kämen,
nicht aber derjenigen, die glücklich sich daraus retteten. Rudolphs
mächtigster Gegner war der König Ottokar von Böhmen, der sich
bereits durch mehrere Kriegszüge, namentlich gegen die heidnischen
Preußen, in deren Lande er die Stadt Königsberg gründete, ausge-