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III- Tages- und Jahrcslnuß Fleiß und Frömmigkeit.
Die Folgen des Meineids sind schrecklich bei Gott und den Menschen.
Da der Meineidige das Wort in den Mund nimmt: „So wahr Gott
mir helfe!" sagt er sich damit von der göttlichen Barmherzigkeit los,
deren wir bedürfen im Leben und im Sterben; er ist, wenn er nicht
reuig Gottes Gnade anruft, ein ewig Verlorener. Aber auch vor
Menschen hat der Meineidige Treue und Redlichkeit verletzt, und nne
kann ohne diese die menschliche Gemeinschaft bestehen? So hat er denn
auch vor Menschen seine Last zu tragen: daß er der Verurteilung an¬
heimfällt und Zuchthausstrafe erleiden muß, ist das Geritrgere; aber er
verfällt auch der allgemeinen Verachtung; er verliert Ehre und Ehren¬
rechte und muß wie ein Geächteter unter ehrlichen Leuten wandeln.
Drum sei bei der Eidesleistung strengste Gewissenhaftigkeit heilige
Pflicht! Nur das beschwöre ein jeder, was er gewiß und sicher weiß;
nur das gelobe er, was er ausführen kann und nach Recht und Sitte
ausführen darf. Mag Reichtum und Vorteil auf dem Spiele stehen,
die Wahrheit steht am höchsten, und reiner Sinn ist ein innerer
Besitz, der alles andere reichlich aufwiegt.
Dies edle Gut wahre dir, Jüngling, so gut du es vermagst! Wer
immer gleich mit Versicherungen bei der Hand ist, wie „auf Ehre, auf
Ehr' und Seligkeit!" der wird's bald dahin bringen, daß man nicht
viel auf seine Glaubwürdigkeit hält; denn so hohe Besitztümer ver¬
pfändet man nicht leichthin; das hieße ein frevles Spiel damit treiben.
Du hast es in deiner Hand, daß dein bloßes Ja und Nein vollwichtig
geachtet wird wie edles Metall.
So schnell, oft um nichtiger Dinge willen, ist ein Eideswort ge¬
sprochen, und doch umfaßt es Zeit und Ewigkeit. Heilig sei dir der
Eid um der Wahrheit, um deines himmlischen und irdischen Wohles
willen. Nägelsbach.