Object: Bilder aus den neuen Reichslanden und aus dem südwestlichen Deutschland (Bd. 3)

146 Straßburg, die Königin des Oberrheins. 
Auch die Achtung vor dem Reich ist stark im Sinken begriffen, seitdem 
dasselbe seine Glieder nicht mehr kräftig zu schirmen und Jedermanns 
Rechte zu wahren weiß. 
In dieser trüben Gährnng sind aber doch die Vorzeichen einer neuen 
Zeit erkennbar. In den Gesichtskreis der Menschen dämmert immer Heller 
hinein jene neu entdeckte Welt des Westens mit ihren Schätzen und Wuu- 
deru. Auch die geistigen Schätze der vorchristlichen Vergangenheit, welche 
während des Mittelalters vergraben und sast in Vergessenheit gerathen zu 
sein schienen, sind wieder entdeckt; mit dem zunehmenden Verftändniß für 
die klassische Bildung des Alterthums werden manche veraltete Vornrtheile 
beseitigt, neue Wissenszweige gepflanzt, und vor dem immer weiter sich ver- 
breitenden Lichte der Wissenschast fliehen die Gebilde des Aberglaubens. 
Im tiefsten Volksbewußtsein endlich regt sich das Bedürsniß einer Reinigung 
der Kirche von den herrschenden Mißbräuchen und der Herstellung des 
Christenthums in seiner ursprünglichen Reinheit. 
Drei Männer waren es, welche im Elsaß der großen geistigen Be- 
wegnng die Wege bereiteten — ein humanistischer Schriftsteller und Lehrer 
der Jugend, Jakob Wimpheling (geb. 1450, gest. 1528), ein geistvoller 
Satiriker, Sebastian Brand (geb. 1458, gest. 1521), und eiu eifriger Kanzel- 
redner, Johannes Geiler von Kaisersberg (geb. 1445, gest. 1510). 
Jakob Wimpheling wurde in demselben Jahre zu Schlettstadt 
geboren, in welchem der Westfale Ludwig Dringenberg daselbst eine 
Schule begründete, von der die verjüngte wissenschaftliche Bildung im Elsaß 
ihren Ausgang nahm. Seine dort gesammelten Kenntnisse erweiterte 
Wimpheling durch deu Besuch der Hochschulen zu Freiburg und Heidelberg 
und durch den Verkehr mit den ersten Vertretern der neuen Wissenschaft- 
lichen (humanistischen) Richtung, insbesondere mit Erasmus von Rotter¬ 
dam, der in seinen späteren Lebensjahren in dem benachbarten Basel seinen 
Wohnsitz nahm. Wimpheling wollte das Studium der alten Klassiker an 
den Schulen als Mittel zur geistigen und sittlichen Veredelung der Jugend 
zur Hebung der Willensstärke, Vaterlandsliebe und Bürgertugend betrieben 
wissen. In diesem echt menschenfreundlichen Sinne wirkte er durch Wort 
und Schrift während einer Reihe von Jahren als Prediger am Dome zu 
Speyer, später als Professor in Heidelberg. Die fruchtbarste Zeit seiner 
schriftstellerischen Thätigkeit war die seines Aufenthalts in Straßburg 
(1501—1520). Was uns mit besonderer Achtung und Liebe für den 
Mann erfüllt, ist seine kernige deutsch-vaterländische Gesinnung. Mit Eut- 
rüstung beklagt er sich iu seiner Schrift „Germania" über die zunehmende 
Halbheit unter einem Theile seiner Landsleute, über Diejenigen unter ihnen, 
welche den Franzosen zu Munde redeten, um „bei einer künftigen fran- 
zösischen Eroberung Titel und Würden zu erlangen." — „Lassen wir 
nicht die übermüthigen Gallier sich anmaßen, was unser ist!" 
— so mahnt er, „das wollen wir baß verhüten!" Hätten nur feine 
Landsleute die Mahnung beherzigt, nimmer wäre das Elsaß vom Reiche 
gekommen! Wimpheling war zu einer praktischen reformatorischen Thätigkeit
	        
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